Wiedereinmal musste ich an der Grenze zig Formulare ausfuellen, mein Gepaeck wurde wieder geroengt, ich musste wieder Angaben ueber mein Geld, den Wert des Rades, Elektronikartikel etc. machen, doch alles ging recht zuegig von statten und somit war ich schnell wieder auf der Strasse.
Es tobte ein Sandsturm, doch gluecklicherweise drehte der Wind und ich hatte somit endlich auch mal leichten Rueckenwind.
Eigentlich waere es angebracht gewesen mich einfach irgendwo hinzusetzen und auszuruhen, doch ich hatte das Beduerfnis nach Kontakt zur Aussenwelt. Ich erhoffte mir eine nette Unterkunft in Bukhara zu finden, in der ich mich mit anderen Reisenden austauschen konnte und das trieb mich voran.
Ich hatte seit Yazd, vor mittlerweile fast 4 Monaten, in keinem Hostel mehr uebernachtet.
Bis Bukhara waren es nochmals fast 100km, aber die schaffte ich noch. Ein nettes Hostel fand ich leider keines, dafuer aber ein Zimmer mit Badewanne. Zur Turkmenistan Visastress Belohnung sass ich stundenlang in der Wanne und versuchte zu regenerieren.
Irgendwie fuehlte es sich an wie Weihnachten und Geburtstag zur gleichen Zeit.
Doch es war total die Luft raus. Ich war in einem neuen Land, war in einer Stadt voller toller Moscheen, die Temperaturen waren mittlerweile fruehlingshaft und eigentlich haette ich vor lauter Freude Purzelbaeume schlagen muessen, denn ich war endlich in Usbekistan, ein Land was ich schon so viele Jahre besuchen wollte.
Doch es interessierte mich nicht.
Ich hatte keine Lust mehr irgendwelche Moscheen anzuschauen, zumal die Stadt einem Museum gleicht. Anstelle gelebten Islamismus, sind hier die Moscheen voller Souvenirstaende.
Vom Iran her kommend, eine richtige Enttaeuschung. Die Rufe der Kassiererinnen am Eingang der Moscheen „Ticket, Ticket“ machten wenig Lust auf mehr.
Als ich dann in einem kleinen Restaurant nach etwas Zucker fuer meinen Tee fragte und anschliessend dafuer 1500 Som zusaetzlich bezahlten sollte, obwohl der Tee selbst nur 1000 Som gekostet hatte, war mir die Freude vergangen (3900 Som sind 1 Euro).
Ich war in einem Touristennest gelandet, aber ohne interessante Touristen zu sehen, denn es gab nur Pauschalis, keine Gleichgesinnten.
Ich hing richtig durch, schleppte mich von einem Tag zum naechsten und wusste nicht wirklich wie ich wieder Lust bekommen sollte. Ich hatte absolut zu gar nix Lust und alles war zuviel.
Durch Zufall kam ich mit einer Studiosus Gruppe ins Gespraech, die mich besorgt anschauten und fragten, was denn mit mir los sei. Ich war den Traenen nahe, denn ich hatte einen richtigen Reisekoller und war ueberrascht, dass man mir dass nun sogar schon ansah.
Sie luden mich zum Essen ein und versuchten mich den Abend lang bei Laune zu halten und schenkten mir zum Abschied ein deutsches Buch welches mich auf andere Gedanken bringen sollte.
4 Tage blieb ich in meiner Badewannen Unterkunft und fuhr danach lustlos weiter. Der Wind begleitete mich wieder, ein treuer Freund, doch leider kam er, wie meistens, von vorne.
Ich fing an mir Ziele zu setzen und mir Belohnungen auszudenken. Die beste Methode mich am Laufen zu halten war mich mit einem Kapitel im Buch zu locken. Ich fuhr also 20km, setzte mich dann an den Strassenrand und verschlang das naechste Kapitel des spannenden Buches.
Was um mich herum passierte war mir egal. Ich war ausnahmsweise einmal nur in meiner Welt unterwegs und war damit ausreichend beschaeftigt.
Ich kam bei einer Familie unter und wurde dort wirklich super lieb aufgenommen. Es gab Abendbrot nur fuer mich alleine, was mir irgendwie ein wenig unangenehm war, denn ich wollte nicht schon wieder sonderbehandelt werden.
Brot wird vom Gastgeber auseinander gerissen und in kleine Stuecke auf der Tischdecke verteilt.
Wichtig dabei ist, dass die Oberseite des Brotes nach oben schaut. Es darf auf keinen Fall andersrum liegen. Vor dem eigentlichen Gericht gibt es immer Kekse und Bonbons, dazu wie immer Tee.
Anschliessend spielten wir Schach und Karten zusammen und sassen nach einem Stromausfall, bei Kerzenlicht am warmen Ofen. Es war richtig schoen gewesen, wenn wir uns auch nicht unterhalten konnten, aber das war egal.
Sie ueberredeten mich am naechsten Morgen noch eine weitere Nacht zu bleiben und somit spielte ich mit dem halben Dorf den ganzen Tag Schach.
In Usbekistan muss man sich alle 3 Tage durch ein Hotel bei der Polizei registrieren lassen. Die genaue Regelung scheint allerdings keiner so richtig zu wissen. Angeblich gibt es bei Nichtbeachtung deftige Geldstrafen bei der Ausreise.
Ich wollte versuchen, ob ich das auch alleine schaffen koennte um damit fuer die naechste Zeit Geld fuer die Hotelkosten zu sparen, denn Usbekistan ist nicht so billig wie ich dachte. Ich ging somit zur Polizei.
Es empfing mich das totale Chaos, zig Leute standen an um sich irgendwelche Formulare ausfuellen zu lassen. Gebruelle, Geschiebe und ein richtig unangenehmer Umgangston herrschten auf der Wache. Am Ende war alles vergeblich, ich hatte keinen Erfolg, man schickte mich ohne Registrierung wieder weg.
Die Usbeken tendieren dazu sehr laut zu sprechen. Wenn sie merken, dass ich sie nicht verstehe,
glauben sie wenn sie noch lauter bruellen, wird es besser.
Lieblingsfrage hier ist: ad kutta. Wohin gehst Du? Woher kommst Du? Ich werde zwar auch gefragt ob ich verheiratet bin und Kinder habe, aber die Fragen halten sich in Grenzen, es ist sehr angenehm und die Leute sind wirklich sehr nett.
Ich muss allerdings sagen sie sind skeptischer mir gegenueber, als in den anderen Laendern zuvor.
Abends war ich zu einem Geburtstag eingeladen. Maenner in einem Raum, Frauen und Kinder in einem anderen. Bei den Maennern wurde ordentlich Vodka getrunken, bei den Frauen trank man Cola.
Mit einem Fingerschnippen am Hals, wurde mir symbolisch klar gemacht, dass auch ich Alkohol trinken sollte, doch das lehnte ich vehemend ab. Ich musste allerdings zu irgendeiner Folkloremusik als Taenzerin vor all den Weibern mein Bestes geben.
Es waren eigentlich nur 280km bis Samarkand, aber die oede Landschaft war einfach unertraeglich,
auch meine Stimmung war noch auf dem Nullpunkt. Meine Lese-Belohnungen verkuerzte ich auf 10km und zudem goennte ich mir an jedem Laden an dem ich vorbei kam ein Eis.
Es ist unglaublich wie sehr man sich schwer tut, wenn der Kopf nicht in Stimmung ist, wenn man einfach keine Lust mehr hat und nur noch das Gefuehl hat, das Rad in den naechsten Gulli werfen zu wollen.
Das Rad rollt dann auch nicht mehr. Man hat staendig das Gefuehl die Bremsen schleifen, oder jemand hat einem heimlich Backsteine in die Taschen gesteckt.
Es gibt Tage, da haenge ich meine Taschen ans Fahrrad und denke auweia sind die schwer und dann wieder habe ich Zeiten, da habe ich das Gefuehl, wow, hab ich irgendwas liegen lassen, die sind so leicht heute. Der Inhalt variiert nur sehr geringfuegig, es kann also absolut nur mit der Stimmung zu tun haben, nicht mit dem Gewicht oder dem Rad selber.
Mein Hintern hatte in Turkmenistan ziemlich gelitten. Eine Stelle war mittlerweile Wund gesessen und schmerzte bei jeder Bewegung.
Doch ich kam irgendwann an und fand in Samarkand genau das Hostel was ich mir erhofft hatte. Ich hatte ein kleines Paradies entdeckt, in dem ich so lange blieb bis ich die Welt wieder erleben wollte.
Naemlich ganze 10 Tage. Die ersten 7 Tage machte ich keinen Schritt vor das Hostel. Ich sah die Moscheen von der Dachterrasse aus, das war mir nah genug gewesen.
Ich traf Leute von ueberall. Andere Radler, witzigerweise ein hollaendisches Paerchen, das ich bereits im Iran getroffen hatte. Einen Spanier, der allerdings in Richtung Iran fuhr, 2 Motorradfahrer, die seit mehr als 10 Jahren unterwegs sind, etliche Jeep Touristen die alle den Weg von Europa nach Zentralasien mehr oder weniger durchgerast sind und ein paar Backpacker.
Japaner, Franzosen, Polen, Italiener, Spanier, Australier und sogar einen Kasachen.
Dieses Hostel schickte mir der Himmel. Ich konnte hier wunderbar meine Akkus wieder aufladen,
neue Ideen sammeln, mich austauschen und mich endlich wieder in meinen beiden Sprachen unterhalten. Es war einfach nur genial gewesen.
Am 8.Tag ging ich das erste Mal vor die Tuere und zwar zusammen mit einer Japanerin Megumi Okamoto, die ein Photoshooting mit mir veranstaltete. Wir hatten irre viel Spass zusammen,
denn die Kommunikation war teils etwas amuesant, ihr l statt dem r hat des oefteren zu Missverstaendnissen gefuehrt.
Samarkand hat einiges zu bieten, doch dank einer Grossbaustelle am Hauptplatz und dank der vielen Pauschalis, hat es einen nicht ganz so faszinierenden Eindruck bei mir hinterlassen.
Mit neuer Kraft und neuen Gedanken trat ich wieder in die Pedale.
Die Wueste verwandelte sich zunehmend in gruene Ackerflaechen, Blumen bluehten am Wegesrand, die Kirschbaeume waren in voller Pracht, es war endlich Fruehling und es war endlich wieder bunt
und ich war endlich wieder gut drauf.
Die ersten schneebedeckten Berge verschoenerten die Landschaft. Es roch bereits nach Abenteuer je naeher ich den Bergen kam. Doch machte ich mir auch Sorgen, denn der spanische Radler, der gerade vom Pamir Hwy aus Tajikistan zurueck kam, berichtete von Naechten mit -18 Grad.
Sicherlich werden sich auch viele wundern, warum ich nicht durch das Pamirgebirge fahren wollte.
Der Grund ist einfach, ich war bereits vor 4 Jahren schon einmal den Pamir Hwy auf tajikischer Seite entlang geradelt, ich konnte somit in Ruhe meinen Fokus auf Kirgistan setzen.
Ich uebernachtete auf einem Bauernhof, auf dem man mich morgens bereits vor 6 Uhr zum Kuehe melken weckte. Der Lebensrythmus der Usbeken ist wieder voellig anders zu dem der Nationen die ich seit Bulgarien gewohnt war.
Hier steht man bei Zeiten auf, arbeitet den ganzen Tag und geht frueh ins Bett. Rumlungern und nichts tun gibt es hier nicht.
Das „Badezimmer“ war auch hier, wie so oft ausserhalb der Wohnung. Kein Wunder, in den Plumpsklos haelt man es wirklich nicht lange aus, denn der beissende Geruch ist unertraeglich.
Ein eigentliches Badezimmer gibt es nur selten.
Nach dem Gang zur Toilette kommt irgendjemand von der Familie, das war bisher ueberall so, angerannt und schuettet mir mit einem Krug etwas Wasser ueber die Haende und reicht mir anschliessend ein Handtuch. Seife, Fehlanzeige.
Wie so oft gab es das Nationalgericht Plov. Reis mit Karotten, Kichererbsen, Rosinen, Fleisch und schwabbelige Fettstuecke und ganz viel Oel. Zur Garnierung ein gekochtes Ei. Sehr lecker.
Man isst in der Familie von einem grossen Gemeinschaftsteller, was ich persoenlich wirklich gar nicht mag, aber ok so ist es halt. Im Normalfall serviert man das Essen nur lau warm, nie heiss.
Aber es ist sehr oft, wirklich sehr schmackhaft.
Es kam ein Regentag und genau an diesem Tag, fand ich nur eine aermliche Siedlung in der mich eine Familie ins Haus einladen wollte, bei der ich wie so haeufig in einem sauerstoffarmen Zimmer
mit all den anderen haette schlafen koennen.
Ueberall rannten die Ameisen rum, der Zucker war mehr schwarz als weiss und die Katzen und der Hund knabberten an allem essbaren rum was es im Haus zu sehen gab.
Ich stellte nach laengerer Diskussion, da ich auf Unverstaendnis traf, mein Zelt im ueberdachten Schuppen auf und hoffte, dass mir die Nacht ueber nicht irgendwelche Ratten das Zelt zerbeissen.
Am Ende war es allerdings der nervige Hund, der mich die Nacht lang vom schlafen abhielt,
da er pausenlos vor sich hin jaulte und staendig ums Zelt winselte.
Mittags machte ich immer irgendwo Pause und ass in einem kleinen Restaurant am Wegesrand.
Es gab haeufig leckere Raviolis, die hier Mandis heissen, schmackhafte Nudelsuppen, mit Fleisch und Zwiebeln gefuellter Brotteig im Steinofen, gefuellter Blaetterteig oder leckere Spinattaschen die man direkt am Strassenrand, an Verkaufsstaenden bekommen kann.
Damit sie warm bleiben werden sie in zig Tuechern eingepackt und witzigerweise in uralten Kinderwagen transportiert.
Was ich aus unterentwickelten Laendern von ueberall her kenne, wird auch hier praktiziert.
Es gibt am Strassenrand 10 Staende hintereinander, die alle das gleiche verkaufen und sich gegenseitig die Kundschaft wegschnappen, in dem sie wie verrueckt auf einen einreden
und beharrlich ihre Ware anbieten.
Ich werde es nie verstehen, warum niemand auf die Idee kommt, dass man eine groessere Verkaufschance hat wenn man etwas anderes als alle anderen anbietet.
So gibt es eben an 10 Staenden Brot, verteilt auf 200m, dann 20km gar nichts, dann 10 Staende mit Getraenken, dann wieder lange gar nichts usw.
In den Restaurants fangen viele Leute an zu fragen wer ich bin und woher ich komme. Bei der Anzahl der geradelten Kilometer, nach denen hier jeder fragt, bekommen viele leuchtende Augen.
Oftmals schuetteln sie mir die Hand und gratulieren mir zu meiner Leistung. Manchmal bekomme ich dann sogar das Essen vom Chef geschenkt.
Ich erreichte die fuerchterliche Industriestadt Olmalik, es war der 4.Tag ohne Hoteluebernachtung,
somit musste ich wieder in ein Hotel um einen Registrierungszettel zu bekommen.
In der Stadt gab es nur einen voellig runtergekommenen Sowjetschuppen. Ein riesiges Gebaeude ohne Farbe mit einer Rezeptionistin, die Haare auf den Zaehnen hatte und mich nur beschimpfte.
Auf der Strasse streiteten zig Leute, alle gingen total ruppig miteinander um und es hatte wirklich einen total russischen Charakter, naja sagen wir mal einen frueheren Ostblockcharakter.
Zimperlich sind die Leute hier jedenfalls alle nicht.
Das Zimmer stand vor Dreck, es war voellig zugequalmt, die Tapete vergilbt, der Ostblock klebte regelrecht an den Waenden. Nach zaehen Verhandlungen bezahlte ich trotzallem immer noch happige 15$ und wagte mich nachts kaum umzudrehen, weil ich bei jeder Bewegung dachte, das Bett kracht zusammen.
Der erste 2000’er Pass war zu ueberwinden, leider regnete es in Stroemen und der Verkehr war extrem unangenehm.
Die Strasse war umringt von Altschneefeldern und der Teer ein einziger Flickenteppich. Ich hatte Glueck und fand einen LKW bei dem ich mich super festhalten konnte und somit liess ich mich ein kurzes Stueck lang die Serpentinen hoch ziehen. Allerdings fiel mir dabei fast der Arm ab.
Es ist wirklich super anstrengend, da man auch schlecht den Arm zwischendurch mal wechseln kann.
Hat man einmal los gelassen, hat man kaum Chancen den LKW wieder einzuholen.
Am Pass angekommen, stand ich gerade vorm Tunnel und suchte nach meinem Ruecklicht in der Lenkertasche, als ein Soldat mit Maschinengewehr bewaffnet anfing mit in meinen Sachen rumzukruschteln.
Ich nahm seine Hand aus meiner Tasche und sagte ihm im forschen Ton, dass das ja wohl das Letzte sei. Bei sowas werde ich naemlich echt sauer. Gib einem Menschen eine Uniform und er glaubt er hat Macht.
Er wackelte mit seinem Maschinengewehr vor mir rum um Eindruck zu schinden, was mich allerdings ueberhaupt nicht weiter beunruhigte. Er wollte meinen Pass sehen.
Ich moechte nicht wissen, wie oft ich nun bereits meinen Pass irgendeinem Uniformierten in diesem Land haette zeigen sollen.
Oftmals kam ich mit dumm stellen davon, doch bei ihm war klar, ohne dass er einen Blick auf meinen Pass werfen duerfte, laesst er mich nicht weiter fahren. Doch als er anfangen wollte, alle meine anderen Visa und Stempel auch noch anzuschauen, nahm ich ihm meinen Pass aus der Hand und fuhr davon.
Alles Schikane und pure Neugierde.
Man merkte haeufig, dass China nicht mehr weit sein kann. Die Suppe wird lautstark geschluerft, ueberall wird rumgespuckt, die Teetassen gleichen denen der chinesischen und in den oeffentlichen Plumpsklos schien man es nicht mehr noetig zu haben das Loch zu treffen.
Anstelle Klopapier verwendete man nun haeufig beschriebende Notizblaetter.
Ploetzlich wurde es ueber Nacht brutal warm. Es hatte mittlerweile ueber 30 Grad und die Hitze war richtig drueckend.
Seltsam, denn eigentlich hatte gerade erst der Fruehling begonnen.
Die letzten km in Richtung Grenze, musste ich leider immer wieder nach dem Weg fragen, denn eine Ausschilderung gab es wie so haeufig keine. Anhand meiner groben Karte war es unmoeglich gewesen zu erkennen, wo genau der Grenzuebergang liegt.
Sich nach dem Weg zu erkundigen ist allerdings nicht immer einfach, denn oftmals haben die Leute wirklich ueberhaupt keine Ahnung.
Die km Angaben, die mir die Leute geben, sind willkuerlich aus der Luft gegriffen und werden meistens mehr, je naeher ich dem Ziel komme. Richtungsweisungen sind oftmals einfach nicht zu verstehen, da sich die Leute mit ihren Handzeichen nicht festlegen wollen, so jedenfalls habe ich den Eindruck.
Auch ihre Lieblingsangabe „priamo“„immer geradeaus“ kann bereits 100m spaeter an einer T-Kreuzung enden. Frage ich 3 Leute an einer Kreuzung dann deuten alle drei in eine andere Richtung.
Meine letzte Nacht verbrachte ich in einem kleinen Dorf, kaum 5km von der Grenze entfernt.
Die Umgebung war gepraegt durch Ackerland und somit wieder einmal ungeeignet zum Zelten.
Zudem sind Grenzgebiete nie sichere Gegenden.
Eine Familie lud mich ins Haus ein und ich bekam ein Zimmer fuer mich alleine. Usbeken haben deutlich mehr Raeume zur Verfuegung, als ich es vom Iran her kenne. Es sind oftmals grosse Hoefe mit viel Platz.
Ich legte mich frueh schlafen, hatte das Rad mit im Zimmer stehen und oeffnete das Fenster zur Strasse um die Nacht ueber frische Luft zu haben. Eine der beiden Tueren zum Zimmer war abschliesbar, die andere nicht. Ich dachte mir nichts weiter dabei, hoerte nur ein paar Hunde draussen klaeffen und schlief sofort ein.
Irgendwann mitten in der Nacht, leuchtete ploetzlich jemand mit einer Taschenlampe vom Fenster her in meine Augen. Ich hoerte Maennerstimmen und war sofort hell wach.
Es ist wahnsinn, wie schnell das Adrenalin durch den Koerper rast und auf Notfall umstellt. Ich reagierte sofort. Zog meine Hose an, kramte nach meinem Pfefferspray und bruellte dabei die Leute an, sie sollen verschwinden.
Innerlich dachte ich, so Heike, jetzt bist Du dran. Meine groesste Sorge war, dass sie getrunken hatten. Die Familie im Nebenraum hoerte ich nicht. Stattdessen donnerte ein Mann an die verschlossene Tuere und rief in Englisch „mach die Tuere auf“.
Ich war also voellig eingekreist und war am ueberlegen, wie ich die 2.Tuere blockieren koennte,
denn sicherlich wird bald irgendeiner spitz kriegen, dass die andere Tuere nicht abgeschlossen ist.
Ich hatte echt Angst, weil ich die Situation nicht einschaetzen konnte und auch den Eindruck hatte, dass die Frau, die mich so lieb aufgenommen hatte, nicht mehr da war. Was tun?
Der Mann donnerte weiter unentwegt an der Tuere und die Typen beobachteten mich im Schein ihrer Taschenlampe, waehrend ich den Tuergriff der anderen Tuere fest hielt, obwohl ich wusste, dass das voellig unsinnig war.
Irgendwann, es kam mir alles vor wie eine Ewigkeit, sagte einer der Maenner „Police“. Er draengelte sich vor die anderen Gestalten, so dass ich ihn am Fenster sehen konnte. Er trug Uniform und eine Polizeikappe. „Passport“ sagte er. „Was“?
Da stand tatsaechlich ein Polizist mitten in der Nacht am Fenster, leuchtete mir mit einer Taschenlampe in die Augen und fragte nach meinem Pass? Das kann jetzt nicht sein Ernst sein.
Ich schnauzte ihn an und fragte ihn auf deutsch, ob er nicht ganz dicht ist mir so ein Angst einzujagen. Doch es war sein voller Ernst.
Er hatte ein Notizbuch dabei, in das er meine Daten reinschreiben wollte. Ich bruellte ihn einfach nur an, vielleicht vor lauter Erleichterung, oder vielleicht auch einfach nur zur Stressbewaeltigung, denn ich war auf 1080.
Ich schnippte mit dem Finger an meinen Hals um ihn damit zu fragen, ob er getrunken hat. Woraufhin er mich anhauchte und verneinte. Das wiederum fand ich schon fast lustig, dass ich einen Polizisten dazu aufforderte zu beweisen, dass er nichts getrunken hatte.
Er machte ein wenig den Eindruck eines Schuljungen, der zu seiner Lehrerin aufschaut und wegen irgendeinem Streich von ihr bestraft wird. Ich muss somit einen ziemlich authoritaeren Eindruck gemacht haben. Ich nahm ihm sein Notizbuch aus der Hand und schrieb meinen Namen und meine Nationalitaet ins Buch, gab es ihm zurueck und war voellig ueberrascht, dass er damit zufrieden war.
Die Typen, incl. dem Polizisten, liefen allesamt Richtung Auto, das Schloss der Hoftuere hoerte ich zuschlagen und der Mann der im Haus war, stieg mit ins Auto. Geraeuschvoll fuhren sie davon.
Irgendwann beruhigten sich die Strassenklaeffer wieder und nur die Grillen waren noch zu hoeren.
Wo die Familie abgeblieben war, weiss ich nicht.
Ich denke, die einzigste im Dorf, die diese Nacht nicht mehr schlafen konnte, das war ich.
Am naechsten Morgen wurde ich, von einem mir unbekannten Mann, am Fruehstueckstisch erwartet. Von der Frau war keine Spur mehr.
Irgendwann fuhr ich irritiert davon, denn verstanden habe ich die ganze Aktion nicht
und es hatte mir einen ordentichen Daempfer verpasst.
Ich realisierte, wie schnell man doch in eine auswegslose Situation kommen kann, denn wenn die Typen etwas anderes im Schilde gehabt haetten, waere ich dran gewesen. Der angebliche Schutz bei einer Familie zu uebernachten, waere in dem Fall dahin gewesen. Der Vorfall wird mich sicherlich noch eine Weile beschaeftigen.
Ich fuhr zur Grenze.
Kein Mensch fragte nach meinen Registrierungszetteln, die mich eine Menge Geld gekostet hatten, stattdessen wollte man mein Bargeld sehen, was ich geschickt durch ein Ablenkungsmanoever umgehen konnte, obwohl ich nichts zu verbergen hatte, doch wer laesst sich schon gerne
in seine privaten Angelegenheiten reinschnuppern?
Allerdings kam ich nicht drumrum den Inhalt einer meiner Taschen zu zeigen. Ich oeffnete die erwuenschte Tasche, die Zoellnerin kruschtelte ein wenig drin rum und fragte dann nach den anderen Taschen.
Woraufhin ich sagte, „ich glaube das langt nun, ich bin deutsche Staatsbuergerin, ich komme aus einem guten Land, ich bin ok.“ Das reichte aus, ich durfte fahren. Normalerweise wuerde ich sowas niemals sagen, doch manchmal hilft es, aus einem beliebten Land zu kommen, um sich dadurch Vorteile zu verschaffen.
Das ewig platte Land hatte ich nun endlich hinter mir, am Horizont waren die Berge bereits zum Greifen nahe.
Insgesamt hat mich Usbekistan wenig begeistert, was sicherlich auch mit meiner Stimmung zusammen hing, aber es hat wirklich ausser den bekannten Seidenstrassen Staedten
nichts weiter zu bieten. Kein Land was ich wieder besuchen wuerde.
Und nun auf ins naechste Abenteuer, die kirgisischen Berge warten bereits auf mich.
Wow, Heike, dein Blog ist so unglaublich spannend, informativ, motivierend, mutig, ehrlich und die Bilder so unbeschreiblich schön. Vielen Dank für’s Teilen!!
Mein Traum ist es auch mit dem Fahrrad alleine loszuziehen, deswegen ist es total klasse und hilfreich was ich alles auf deinem Blog finden kann. Ich hoffe, ich werde einen Bruchteil von deinem Mut und Durchhaltevermögen aufbringen!! Es macht wirklich Mut und Hoffnung zu wissen, dass es Frauen wie dich gibt. Ich finde es so schade, das Geschlecht zu betonen, aber leider macht es anscheinend manchmal einen Unterschied (natürlich nicht nur beim Reisen).
Einen Bildband von dir würde ich sofort kaufen 🙂
Alles Gute aus Norddeutschland 🙂
Phoebe
Danke liebe Phoebe!!!!
Dir eine tolle Reise – und wir Frauen haben viele Vorteile dort draußen alleine! Klar muss man auch aufpassen, aber ich für mich habe festgestellt dass es als Frau alleine mehr Vor- als Nachteile gibt.
Gute Zeit LG Heike