Cathedral Gorge Valley State Park besticht durch schöne Felsformationen wie überall hier in der Gegend. Man denkt es kann eigentlich keine weiteren Felsstrukturen mehr geben, doch jede Ecke hat wieder eine neue Faszination aufzuweisen und so auch dieses Gebiet.
Dawn, die Rangerin des Parks war völlig begeistert darüber, dass ich den Park auch im Schnee mit dem Rad besuchen komme. 1$ zahlt man hier als Radler – anstelle wahnsinnige 15$ im Zion NP.
Die extremen Eintrittspreise bei den Nationalparks finde ich für Radler wirklich unpassend. Ein Nationalpark sollte umweltfreundlich denken und daher unterscheiden zwischen dem Luxusreisenden, der mit einem riesigen Motorhome angerollt kommt und für die ganze Familie kaum mehr zahlen muss als ein Soloradler.
Mein Rad rollte schon seit einiger Zeit nicht mehr richtig gut. War es die lange Pause, die mich konditionell irgendwie aus der Form gebracht hat? War es meine Hinterrad Felge, die ich seit Oman nutze? Ich hatte sie in Flagstaff warten lassen, aber sie ist halt nicht mehr neu. Sind es die neuen Schneereifen, die natürlich einen grösseren Rollwiderstand haben, als meine Schwalbe Tour Plus, die man mit mehr Luftdruck fahren kann? War es das zusätzliche Gewicht was ich durch die neuen Winterklamotten mit mir rumschleppte? War es die riesige Entfernung, die ich vor mir hatte und mich etwas demotivierte? Alaska ist weit.
Oder was war das Problem? Das Radeln viel mir schwerer als sonst.
Auch musste ich immer wieder mein Tempo drosseln um nicht ins Schwitzen zu kommen. Wie das gehen soll habe ich eh noch nicht verstanden. Ich schwitze einfach immer. Allerdings heisst Schwitzen wenn es kalt ist nichts anderes als irgendwann richtig zu frieren und das musste ich natürlich vermeiden. Es gibt bei mir ja keine Dusche und keine Heizung am Ende des Tages wo ich mich wieder aufwärmen und meine Sachen trocknen konnte. Zumindest meistens nicht.
Nevada würde ich als das Niemandsland bezeichnen. Die Strecken sind endlos. Man sieht auf dem Gipfel die nächste nicht enden wollende Gerade die mich einige Stunden beschäftigen wird. Es scheint zum Greifen nahe und doch ist es ewig weit. Die Weite ist wirklich absolut faszinierend.
Joshua Trees tauchten auf. Die Wüste hatte mich wieder. Tolle Berge – tolle Landschaft und niemand hier. Ich liebe diese Endlosigkeit. Sie schafft es immer wieder mich in eine besondere Stimmung zu versetzen. Während ich so vor mir herstrample und die Landschaft in mir aufsauge sind es wie Glückshorme die freigesetzt werden. Freiheitsgedanken, Kraft, Sehnsucht nach mehr und Sucht nach Leben. Alles erscheint für immer!
Doch zeitgleich bereitet es mir Kummer, da ich weiss es gibt kein für immer, es gibt kein endlos auf dieser unserer Erde. Eines Tages muss ich mich verabschieden von unserem wunderschönen Planeten – von einem spannenden Leben – alles ist vergänglich – auch ich.
Was kommt dann? Habe ich die letzten 13 Milliarden Jahre seit dem Urknall alles verschlafen und werde es die nächsten zig Milliarden Jahre wieder tun? Allein der Gedanke langweilt mich zu Tode und macht mir Angst. Ich glaube nicht an irgendeinen Gott, an den Himmel und auch nicht an eine Wiedergeburt. Ich habe eine Chance – ich muss sie nutzen so gut es geht.
Leute die an Gott glauben, haben wahrscheinlich weniger Angst vor dem Tod. Im Grunde genommen denke ich, dass genau diese Angst die Vielzahl der Religionen auf der Welt hervorgebracht haben.
Manchmal versetzt mich das in eine Unruhe, weil ich das Gefühl habe, ich muss so viel in den Tag packen wie nur geht. Doch habe ich während meiner Reise festgestellt, je länger ich unterwegs bin desto langsamer werde ich. Ich brauche mittlerweile mehr Zeit um alles noch besser verstehen zu können. Ich möchte immer verstehen, hinterfragen, Details wissen – auf Dauer ist das anstrengend. Daher habe ich wohl das Tempo etwas reduziert um mir mehr Gedankenpausen zu gönnen.
Nachts in die Sterne hinauszuschauen und sich bei jeder Sternschnuppe etwas zu wünschen. Sich versuchen vorzustellen wie weit das alles weg ist. Eine Welt die ich nie sehen werde, eine Welt die mich schon immer fasziniert, weil sie so endlos ist. So unwirklich, so fremd. Spannend. Für mich ist alles spannend was ich nicht kenne. Und bei den Sternen weiss ich es ist alles so unfassbar, dass ich es nie begreifen werde.
Die Gegend hier ist bekannt für UFO Sichtungen. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass es weiteres Leben irgendwo im All gibt, wie auch immer das aussehen mag. Aber dass Aliens die Technologie besitzen, uns zudem finden und vor allem den weiten Weg auf sich nehmen und dann auf der Erde nur mal eben kurz landen und nicht Hallo sagen ist wohl ein ziemlicher Quatsch.
Doch frage ich mich warum Leute immer in den entlegenden Gebieten irgendwelche UFO’s sichten? Sind es die Militärgebiete die ziemlich nahe stationiert sind und ihre neuen Flugtypen testen? Oder sind es die gleichen Gefühle, die ich in solchen Gegenden habe und die Leute inspiriert werden und Tagträume entwickeln und Dinge sehen und erleben die ein Städter zeitlich gar nicht in seinen Tagesplan unterbringen kann?
Die Uhren ticken hier langsamer als in anderen Gebieten. Die Leute haben hier unendlich viel Zeit. Es passiert hier ja nicht viel. Der Blick in den Himmel ist viel mehr gegeben als wenn ich Wolkenkratzer, Autos und Menschen um mich habe. Die Frage nach dem wer und wie und warum ensteht in der Wüste automatisch viel intensiver. Wir müssen uns in der Weite auf uns konzentrieren. Auf das Wesentliche. Aufs überleben.
Extraterrestrial Hwy heisst der Ausserirdische Hwy hier so schön. Ziemlich ausserirdisch an diesem Tag war das Training der Air Force und seinen NATO Freunden. Red Flag nennt man dieses Training das wirklich ziemlich einmalig war. 30 Kampfflugzeuge sichtete ich zur selben Zeit. Die Überschallknalls dröhnten durch das ganze Tal und waren wirklich brutal laut. Oft waren die Jets im Tiefflug unterwegs. Ziemlich spukisch.
Area 51 ist bekannt für die Atombombentests die hier vor etlichen Jahren durchgeführt wurden.
Am Ende des Tages kam ich nach einem weiteren Pass in ein weisses Tal. Plötzlich lag hier jede Menge Schnee. Der Wind war so stark und so kalt, dass es sich anfühlte als wäre ich grade mal eben in einer anderen Welt unterwegs.
Im Little A’Le’Inn – dem einzigsten Motel auf der ganzen Strecke bestellte ich mir ein Denver Omelette. Klein war die Portion nicht, aber ich hatte Bärenhunger. Den typischen Radlerhunger. Es fühlte sich an wie eine Vorspeise. Wie immer eigentlich.
Einen Radler satt zu bekommen ist oftmals keine leichte Aufgabe und vor allem ist es auf Dauer teuer.
Die Leute waren super freundlich und sorgten sich um meine Nacht. „Es ist viel zu kalt heute Nacht, Du kannst doch da nicht zelten“ sagten sie zu mir und luden mich zur Übernachtung ein. Am Ende war ich den Damen wirklich dankbar dafür, denn es hatte bereits minus 5 Grad als ich das Lokal verliess. Die Nacht war es sicherlich minus 20 Grad gewesen.
Am Morgen waren die Bäume rund um die paar Häuser, die es in dem kleinen Ort Rachel gab voller Eiskristalle. Es sah bezaubernd aus. Es war kalt und die Luft war klar. Und es war wunderschön hier draussen.
Mirjam, the cyclingdutchgirl, die bereits Island, Kanada und die USA im Winter beradelt hat, gab mir ein paar Tipps für meinen Winterradelweg. Unter anderem empfahl sie mir einen wärmenden Überrock, der wirklich absolut klasse ist und ein riesen Unterschied auf dem Rad macht, denn schliesslich frieren wir Frauen vor allem am Poppes.
Lauren von Portland Pogies spendierte mir ein paar wärmende Pogies für die ganz kalten Tage. Wärmer als jeder Handschuh. Vielen Dank !
Ich radelte den ganzen Tag und sah nur drei Autos. Gegen Spätnachmittag kam eine Dame, die ich anhielt und fragte ob sie an einem Haus vorbeigekommen ist, denn ich befürchtete die gleiche Kälte für die bevorstehende Nacht. Sie meinte sie hätte eine verlassene Scheune gesehen, allerdings 20 Meilen entfernt. „Das schaffe ich nicht mehr“, gab ich ihr zur Antwort. Als Trostpflaster schenkte sie mir Gummibärchen und Schokolade. Zuckersüsse Minuten im Leben einer Radlerin.
Eines ist sicher beim nächsten Wintertrip besorge ich mir einen wärmeren Schlafsack.
Weitere 10 Meilen und kurz vor Dunkelheit sah ich ein Scheunendach. Die Rettung. Hoffentlich ist das Tor offen geisterte mir durch den Kopf. Ein bisschen Heu wärmt. Je näher ich kam, desto mehr sah die Scheune aus wie ein Teil einer Farm. Ich machte Pferde aus und wusste, wo Pferde sind, da sind Leute. Bingo. Irgendwann sah ich Licht und hoffte nun noch auf nette Zeitgenossen.
Ich klopfte. Ein alter Mann machte die Türe auf. Ich erklärte ihm meine Situation und er winkte mich sofort herein und führte mich zu seiner Frau. „Hallo, spring schnell unter die Dusche, das Essen ist in 5 Minuten fertig.“ Vor lauter Erleichterung gab ich der Frau eine dicke Umarmung.
Der Mann ist hier gross geworden, hat die Ranch nie verlassen. Sie sind eine der grössten Rinderfarmen in Nevada und sammeln ihr Vieh mit Hubschraubern wie in Australien ein. Die Gebiete sind hier einfach riesig. In die angrenzenden Militärgebiete dürfen sie nur mit Sondererlaubnis fliegen.
Zufriedene Menschen. Sie schienen verliebt wie am ersten Tag. Ich bin immer wieder beeindruckt wenn sich Paare auch nach 50 Jahren noch verliebt in die Augen schauen. Alles richtig gemacht kann ich da nur sagen.
Am nächsten Morgen mussten sie bereits früh weg, legten mir Frühstück und Vesper zurecht und einen lieben Zettel: „Gute Reise“. Ach ist das schön, wenn Menschen mir vertrauen.
10 Meilen später kam ein kleiner Pass und danach war wieder alles schneefrei und es hatte sicherlich 20 Grad mehr. Wahnsinn. Diese Temperaturschwankungen sind wirklich extrem.
Weitere 50 Meilen Wüste und ich kam in den trostlosen Ort Tonopah. Der Hund ist hier in Nevada überall begraben. Wirklich unglaublich auch wieviele verlassene und runtergekommene Häuser in dieser einsamen Gegend stehen. Irgendwie schon fast gespenstisch.
Natürlich musste ich mal wieder Schotterpiste schnuppern, weil auf Dauer Teerstrassen doch eher öde sind. Hinter Tonopah gabs eine Abkürzung und um auf Nummer sicher zu gehen fragte ich lieber noch einmal bei mir entgegen kommenden Fahrzeugen nach wie denn der Zustand des Weges sei.
„Mit dem Rad ist das unmöglich zu fahren. Nie und nimmer nie geht das“, wurde mir von einem Paar erklärt. „Warum nicht? Ist der Weg matschig, hat es Schnee oder ist es sehr sandig oder was ist das Problem?“ fragte ich nach. „Das ist ganz arg abgelegen und es hat viele Steine und es geht immer hoch und runter, mach das bloss nicht.“
Am Ende war es eine ganz normale Schotterpiste wie so viele andere. Autofahrer haben einfach keine Ahnung was man mit dem Rad alles machen kann und was nicht. Allermeistens ist es ja so, da wo ein Auto nicht mehr weiter kommt, kann ich mit dem Rad immernoch schieben. Nur Lehm und Schnee, da wird es kritisch.
In Gabbs ging ich in den grocery store, also einem kleinen Einkaufsladen. Ehrlich gesagt dachte ich, ich sei mal eben in Russland gelandet. Irgendwie hatte das was von der alten Sowjetunion. Leere Regale, dunkel und chaotisch.
Nevada zog sich weiterhin. Endlos, endlos, endlos.
Ein Sturm kam auf und blies mir den Wind heftigst um die Ohren. Ich suchte nach einer geschützten Stelle um die Nacht wenigstens ein bisschen schlafen zu können. Wind im Zelt ist immer laut. Obwohl mein Hilleberg Zelt wirklich genial im Wind steht und extrem viel aushält. Trotzdem versuche ich Wind nachts zu vermeiden und fand einen langen, geschlossenen Zaun, hinter dem ich Schutz fand.
Die Nacht hagelte und schneite es und am nächsten Tag hatte ich Gegenwind pur. Wie wohl für jeden Radler ist Gegenwind kein Spass und es fühlt sich immer so an als würde man sinnlos strampeln weil vorwärts kommt man ja überhaupt nicht.
Fallon und Fernley, alles Käffer die man nicht gesehen haben muss. Wie immer endlos viele Junk Food Läden und kein Flair. Zwischen den beiden Orten hatte es viel zu viel Verkehr und wieder einmal fragte ich mich warum so viele Radler an den Hauptstrassen fahren. Für mich absolut unverständlich.
In Fernely machte ich 4 Tage Pause und zeltete hinter dem Freeway an einer netten Stelle. Normalerweise campiere ich nie zweimal an der gleichen Stelle, aber der Platz war uneinsichtig und dadurch hatte ich keine Bedenken, dass mich jemand sieht. Zumal ich mittlerweile Vertrauen zu den Amerikanern entwickelt habe, die Chance, dass man in diesen kleinen Orten überfallen wird sehe ich als sehr gering an.
Über die Grosszügigkeit, Hilfsbereitschaft und Freundlichkeit der Amerikaner bin ich immer wieder beeindruckt. Sehr viele Amerikaner sind richtig angenehme Zeitgenossen und ich fühle mich einfach gut hier.
Die anfängliche Unsicherheit, die ich in den südlicheren Ecken Arizonas und Kaliforniens hatte, kam in Utah und Nevada zu keinem Zeitpunkt auf.
Nevada hat mich bisher extrem positiv überrascht. Für mich ein Radlerparadies. Kein Verkehr und unendlich viel Platz um zu zelten. Die Landschaften sind einfach klasse und ich bin gespannt wie es weiter geht.
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