Ich war keine Sekunde auf der Insel und hatte mich in das Land bereits verliebt.
Doch der Grenzbeamte gab mir ohne weitere Fragen eine 90 Tage Aufenthaltsgenehmigung und hiess mich im Land herzlich willkommen.
Und genau so fühlte ich mich auch. Ich sah nur fröhliche Menschen, jeder strahlte
mich an und rief mir ein herzliches „Ni Hao“ zu.
Die Sonne schien, es war warm, ich entdeckte im 7-Eleven Laden original Kinder
Schokolade, zig einheimische Radler fuhren an mir vorrüber, überall sah ich Radschilder und zudem fuhren die Autofahrer sehr rückslichtsvoll.
Kein unnötiger Krach, kein Smog, kein Müll, nein ein zivilisiertes Land ohne Staub und Dreck. Es war wie Weihnachten und ich genoss jede Minute davon.
Trotz Moderne sah ich an jeder Ecke alte Chinesische Kultur, passierte jede Menge
kleine Chinesische Lokale und hatte das Gefühl hier sei alles viel Chinesischer als in
China selber.
Die Amerikanische Kultur hat allerdings bereits Einfluss auf Taiwan genommen.
Fast Food Ketten und Junk Food gibt es an jeder Ecke. Doch ich fand gerade diesen gesunden Mix aus Exotik und Moderne absolut reizend.
Ich versuchte in Keelung, der Hafenstadt, Geld am Automaten zu ziehen, hatte aber an keinem ATM Glück. Ich lief von einer Bank zur Nächsten und stoss auf herzliche, hilfsbereite Menschen. So nette Menschen, dass die Belegschaft in der letzten Bank, in der ich fragte, für mich Geld sammelte und mir umgerechnet 30 Euro in NT$ gab um damit die Zeit bis Taipei zu überbrücken, bis ich dort den richtigen Automaten finde.
Ich konnte es nicht fassen, ich hatte ein Dauergrinsen im Gesicht und freute mich so sehr wieder in einem Land unterwegs zu sein, in dem man mir nicht pausenlos Steine in den Weg legte, nein, ein Land in dem man sich freut, dass ich hier bin.
Viele Leute sprachen Englisch und somit konnte ich endlich auch mal wieder Fragen stellen. Der Bildungsstand ist enorm und der Umgang mit mir als Fremde war zu keinem Zeitpunkt unangenehm. Keine nervigen Fragen, nein, ich konnte interessante Gespräche führen. Es fühlte sich an wie das gefundene Paradies.
Eines war mir jedenfalls von Anfang an klar, Taiwanesen sind völlig anders als Chinesen und ich war irre froh darum.
Ich wählte die Nordroute entlang des Meeres um in einem Schlenker nach Taipei
zu radeln. Immer wieder folgte ich den ausgeschilderten Radrouten, die mich entlang
schöner Wege führten, oftmals abseits des Verkehrs.
Ich kam durch kleine Fischerdörfer, radelte entlang extra für Radler errichtete
Holzstege direkt am Strand und fühlte mich von Anfang an sicher und pudelwohl.
Ohne weitere Gedanken zeltete ich immer wieder an den unterschiedlichsten Stellen
und hatte das Gefühl in einem der sichersten Länder der Welt unterwegs zu sein.
Witzigerweise bestätigte ein Taiwanese kurz darauf meine Gedanken.
Taiwan ist angeblich nach Island das zweit sicherste Land der Welt.
Obwohl ich eigentlich kein Strandfan bin, muss ich sagen, empfand ich das Meer
wunderschön. Es strahlte so viel Ruhe aus. Ich hatte endlich kein Stress mehr.
Ich saß stundenlang am Wasser und träumte vor mich hin. Es fühlte sich an wie
Badeurlaub auf den Malediven.
Taiwan kam zur rechten Zeit für mich. Endlich ein Land, in dem ich für die weitere Etappe meine Akkus wieder aufladen und neue Kraft tanken konnte.
Um Taipei herum hat es unzählig viele Radwege und ich hatte in den ersten Tagen auf
der Insel mehr Radfahrer gesehen, als in der ganzen langen Zeit von Deutschland bis
hierher. Radfahren ist in Taiwan voll angesagt und die Radwege sind so attraktiv
gestaltet, dass wirklich Hinz&Kunz unterwegs ist.
Taiwanesen sind Outdoor begeistert. Am Wochenende ist überall die Hölle los und die
Ausflugsziele sind total überlaufen.
Obwohl ich Großstädte nicht mag, fand ich Taipei klasse. Mit tausenden Mopeds durch die Straßen zu rasen machte echt Laune. Zwischen Wolkenkratzern findet man immer wieder kleine Chinesische Ecken, Tempel, Antikes, Interessantes, dazu viele grüne Flächen. Überall leckeres Essen und auch hier, selbst in der Haupstadt, nur lachende Gesichter.
In China hatte ich in 5 Monaten vielleicht 5 mal ein Danke schön gehört. Ich dachte
wirklich ein „Xie Xie“ existiert in der Chinesischen Sprache nur auf dem Papier.
Doch hier wurde ich in jedem Laden nett begrüßt, man bedankte sich bei mir für
jeden Einkauf, für jede Bestellung, für absolut alles, so wie ich das eben von den
meisten Ländern her kenne.
Was ein krasser Unterschied dieser beiden Länder.
In Taipei hatte ich das Vergnügen im Taipei 101, das höchste Gebäude Ost-Asiens,
meinen neuen Pass zu beantragen. Ich weiß zwar nicht warum das Deutsche Institut
unbedingt in diesem teuren Ambiente sein Büro haben muss, sicherlich wäre da eine
billigere Adresse auch ok gewesen, aber ich fand es trotz allem spannend und genoss
die Aussicht von hier oben sehr.
Bei meiner „warmshower“ Gastgeberin lies ich meine Vordertaschen zurück, da ich einige Sachen in Taiwan nicht brauchte und somit nicht unnötig mitschleppen wollte.
Mein nächstes Ziel war die Ostküste.
Es regnete leider ziemlich häufig, aber Unterstellmöglichkeiten gab es jede Menge.
Als ich an einem Aussichtspunkt gerade mein Zelt aufstellte, bewegte sich plötzlich
die Erde. Wow, ich erlebte mein erstes Erdbeben und war wirklich für einen kurzen
Moment erstarrt. Doch so schnell wie es kam, so schnell war es auch wieder vorbei.
Ein irre Erlebnis, wenn unter einem alles seicht wackelt. Wie Wellen würde ich es
beschreiben. Unheimlich, aber faszinierend zugleich.
Das Chinesische Neujahrsfest stand an und es wurde überall tagelang geballert.
Der Verkehr war leider sehr nervig gewesen, da am 2.Tag der Feierlichkeiten die
ganze Familie zu den Eltern der Ehefrau unterwegs ist. Das hat Tradition und somit
saß das ganze Land im Auto.
Doch hatte es auch etwas positives, denn es gab die ersten Tage des Festes an jedem
Tempel jede Menge zu Essen und zwar umsonst. Reihenweise standen die Menschen
an um sich mit leckeren Suppen und Obst zu versorgen.
Ich traf einen katholischen Priester, der mich in seiner Kirche übernachten lies.
Trocken, warm und sicher vor dem Geballere und den vielen streunenden Hunden,
war ich froh um das Angebot.
An der steilen Ostküste fuhr ich nun immer weiter Richtung Süden. Die Landschaft war traumhaft. An jeder Kurve und nach jedem der vielen Tunnels hatte ich tolle
Ausblicke.
Die Taroko Schlucht war erreicht, das angebliche Highlight der Insel.
Ich zeltete direkt am Visitor Center, was mir ausdrücklich vom Park Ranger erlaubt wurde und bekam sogar noch Essen dazu geschenkt. Ach herrlich wenn Menschen einen unterstützen !
In der Schlucht entdeckte ich an einem wunderschönen Hang ein Nonnenkloster.
Eine bezaubernde Melodie hallte von dort durch die Felswände und zog mich magisch an.
Es strahlte Ruhe, aber auch Erhabenes aus, ja es hatte etwas von Macht und Unterwürfigkeit, aber auch von Wärme und Geborgenheit. Es berührte mich.
Ja, ich konnte mich diesen Klängen irgendwie nicht entziehen.
Ich wurde eingeladen ein paar Tage zu bleiben und das tat ich dann auch sehr gerne.
Das Kloster hatte seine Ordnung. Wenn es Essen gab saßen die Nonnen immer am gleichen Platz. Jeder Besucher hatte seine eigene Schüssel und Stäbchen dabei. Beim Essen wurde nicht geredet. Jeder spülte sein Geschirr selber ab.
Abends half ich in der Küche und wurde das ein oder andere Mal zurecht zitiert,
wenn ich die Gemüse Stücke zu groß oder zu klein schnitt, was mich innerlich
amüsierte.
Irgendwie hatte ich das Gefühl die Nonnen sind nicht nur ernst in ihrem
Verhalten, sondern das Kloster strahlte für mich auch ein wenig Traurigkeit aus.
Woraufhin mir dann auch wieder einmal der Gedanke kam, was denn einen Menschen dazu bewegt in ein Kloster zu gehen?
Das Essen war ultra lecker gewesen und ich war schwer beeindruckt wie gut diese Frauen vegetarisch kochen konnten. Wie immer in der Chinesischen Welt, gab es zig verschiedene Sorten und jeder nahm was er mochte. Still schweigend nahm jeder sein Mahl ein und klimperte mit den Stäbchen in der Schüssel umher.
Was mich am meisten begeisterte waren die Suppen. Aber auch die vielen unterschiedlichen Tofu Sorten. Braun, weiss, ganz dunkel, hart, weich, flach,
dick – und alle schmeckten sie total anders. Zudem die leckeren Pilze – auch hier in allen Variationen.
Frühstück, Mittagessen und Abendessen sind immer gleiche Mahlzeiten. Reis und Gemüse, dazu Suppe. Wobei es zum Frühstück einen seltsamen wässrigen Reis gab, den ich, nunja, nicht gerade prickelnd fand.
Zwischendurch wurden zudem Bonbons und Kuchen und jede Menge Knabberzeugs aufgetischt. Ich hatte den Eindruck es drehte sich bei dem Neujahrsfest wirklich nur ums Schlemmen.
Am 2. Tag kam eine Nonne zu Besuch, die wohl einige Ränge höher stand, als die
Nonnen des Klosters. Zu Ehren des Festes wurde eine besondere Zeremonie von ihr
durchgeführt, an der ich ebenso teilnehmen durfte.
Die Obernonne erinnerte mich ein wenig an Mr.Bean. Ihr Gesichtsausdruck war genau der selbe, was mich wirklich amüsierte, obwohl ich Mr.Bean total daneben finde.
Sie war sehr klein, doch ihre Stimme war magisch und füllte den Raum mit Zauber.
Die Nonnen drückten mir ein Gesangsbuch in die Hand, obwohl sie wussten, dass ich kein Wort Chinesisch kann. Ich blätterte anfangs mit, dachte aber zwischendurch, dass das doch total albern ist und legte es wieder weg.
Doch kaum geschehen, drückten die Frauen es mir wieder in die Hand, blätterten an die richtige Seite und machten mir klar, dass ich doch bitte dieses Gesangsbuch halten soll.
Das knien auf dem Kissen hielt ich nicht lange aus und kämpfte mit den Schmerzen.
Da ich allerdings den Ernst dieser Zeremonie im Laufe der Zeit immer mehr begriff
versuchte ich mich nicht daneben zu benehmen und hielt durch.
Die Nonnen weinten reihenweise – leider weiß ich weder warum noch um was es überhaupt ging.
Die ganze Zeremonie dauerte 4×1,5 Stunden. 3x nahm ich teil.
Doch nachdem ich bereits 6x dem großen Buddha im Raum unter Anleitung in die
Augen geschaut habe, mich mit einem Holzstück vor meiner Stirn vor ihm verbeugt
habe und dann das Holzstück in ein kleines Feuer geschmissen hatte, hatte ich dann doch genug und wollte das Ganze nicht noch ein viertes Mal durchstehen.
Irgendwann fehlte mir die lockere Atmosphäre der Taiwanesen doch sehr, die mich ausserhalb der Klostermauern so sehr begeisterte. Ich war erleichtert, als ich wieder meine eigenen Wege gehen konnte, obwohl ich wirklich froh um die Erfahrung war einmal ein paar Tage in einem buddhistischen Kloster verbracht zu haben.
Insgesamt feiert man hier 15 Tage das Neue Jahr und nach einer Weile muss ich
zugeben, nervte mich das Geballere dann doch etwas, vor allem die Strassenköter
fanden keine Ruhe und kamen ständig kläffend zu meinem Zelt.
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