Ich folgte weiter der Ostküste und fuhr an schönen Buchten und idyllischen Fischerdörfern vorbei. Zeltete immer wieder am Strand oder auf kleinen Aussichtstürmen und genoss das Leben in vollen Zügen. Ich hatte richtig gute Laune und erwiderte jedes Lächeln was mir geschenkt wurde mit einem breiten Grinsen und einem herzlichen
„Ni Hiao“.
Radfahrer riefen mir immer wieder:“Go Go Go“ zu und waren alle richtig gut drauf. Es ist wahnsinn wie sehr so eine positive Stimmung einer Nation auf einen abfärbt und wie schnell ich die frustrierenden Erlebnisse in China vergessen hatte.
Eines Abends traf ich in einem kleinen Dorf, welches von Aborigines bevölkert war, einen Amerikaner, der dort seit einiger Zeit wohnte.
Er lud mich zu sich ins Haus ein und versprach mir ein heiβes Bad. Dem Gedanken
des heiβen Bades konnte ich nicht widerstehen und somit begleitete ich ihn durch die dunkle Nacht. Je länger wir liefen, desto kleiner und schäbiger wurden die Häuser. Vor einer Baracke machte er halt und hiess mich in seinem Heim willkommen.
Die Ruine hatte weder eine Türe noch Fenster. Er führte mich durchs Haus auf die andere Seite bis wir vor einer Wasserrinne standen. Dort stand ein Topf den er bereits mit Wasser befüllt hatte. Er zündete ein kleines Feuer an, stellte den Topf darauf und meinte ich solle nun etwa 15 min warten, dann könnte ich mich waschen.
Ich stand im Bauschlamm im Freien. Frösche sprangen um meine Füβe herum und der Vollmond spendete mir etwas Licht. Natürlich genoss ich das heiβe Wasser und die Waschgelegenheit, wenn ich auch etwas entäuscht war, denn eine heiβe Badewanne hatte ich mir ein wenig anders vorgestellt. Die Übernachtungseinladung schlug ich dann allerdings aus und zeltete lieber am Strand.
Taiwan ist ein Radlerparadies. Die Radstreifen sind teils so breit wie die Spuren fürs Auto. An jeder Polizeistation kann man seine Wasserflaschen auffüllen und bekommt dabei sogar oft noch Früchte oder Mittagessen spendiert.
Hier liegt zur Not sogar Werkzeug und Luftpumpe bereit.
Die „Auffüllstationen“ sind sogar ganz offiziell ausgeschildert.
Auch sind die Menschen weiterhin einfach nur sehr sehr gastfreundlich und versüβten mir jeden Tag aufs Neue.
Richard aus den USA stand plötzlich am Straβenrand. Ein bepacktes Reiserad hatte ich seit Laos keines mehr gesehen und somit freute ich mich sehr über die Begegnung mit einem anderen Reiseradler.
Richard war in seinem alten Leben Schulbusfahrer in den USA gewesen, danach hat er 7 Jahre in China Englisch unterrichtet. Richard war der beste Kinder Entertainer, den ich in meinem ganzen Leben je getroffen habe.
Er eroberte jedes Kinderherz in Sekunden und es war auch für mich ein Heiden Spaβ ihn dabei zu beobachten wie er den Clown für sie spielte.
Nachdem ich sowieso von der Küste ins Landesinnere abbiegenwollte, um dann wieder nach Norden zu fahren, schlossen wir uns zusammen und seit vielen Wochen, war ich wieder einmal im Team unterwegs.
Am ersten Abend entrümpelten wir zusammen seine Taschen,denn sein Rad war irre schwer und ich fragte mich ob man sein Gepäck nichtetwas reduzieren könnte, denn Richard war bereits über 60 und klagte überKnieschmerzen.
Wir hatten einiges zu lachen, denn es war wirklich sehenswert was Rich so alles dabei hatte. Der Knaller war seine elektrische Zahnbürste, von der er sich allerdings nicht trennen wollte. Doch hatten wir bereits am 1.Abend etwa 5 kg entsorgt und Richard war absolut begeistert über sein nun viel leichteres Rad.
Wir zelteten auf einer Aussichtsplattform und wurden morgensvon Ausflüglern geweckt, die neugierig fragten wer wir sind.Als ich anfing meine Zahnbürste mit Zahnpasta zu beschmieren,fragte mich ein Mädchen ganz irritiert wo ich mir denn jetzt hier die Zähneputzen werde? I
Ich musste über die Frage natürlich innerlich lachen und meinte nur: „ genau hier“. „Aber hier gibt es doch gar kein Badezimmer!“ schaute mich dieses Mädchen ganz irritiert an, während ich anfing mir die Zähne zu putzen. Ihre Frage war mit die goldigste Frage, die ich bisher gestellt bekommen
Wir sahen die ersten Affen direkt am Straβenrand und waren echt begeistert von dem schönen Erlebnis. Nicht nur Affen, auch jede Menge Vögel gibt es immer wieder zu bestaunen. Morgens genieβe ich mit Freude das wohlklingende Vogelgezwitscher.
Ich liebe es einfach in der Natur unterwegs zusein, für mich ist es das allerbeste am Radreisen.
Richard war ein Alleinunterhalter. Er redete non stop. Sein Hauptthema waren Frauen, was mich oftmals wirklich amüsierte.
Während ich bei den kleinen lokalen Imbissen aβ, wollte Richard meistens nur bei 7 Eleven sein abgepacktes Ami Essen zu sich nehmen. Täglich träumte er von Starbucks.
Ich fand es klasse mit ihm unterwegs zu sein, denn er war schon ein sehr spezieller Typ.
Von der Küste ging es nun auf einer wunderschönen Bergetappe weiter. Die einsame Route 193 war einfach traumhaft.
Es fing an zu regnen und wollte einfach nicht mehr aufhören. Während Richard bereits irgendwo im Gras sein Zelt aufstellen wollte, sagte ich, komm wir fahren weiter, es kommt sicherlich noch ein trockenes Plätzchenund irgendein Laden, an dem wir noch etwas zu Essen bekommen.
Genau so war es dann auch, denn kaum später entdeckten wir ein Besucherzentrum. Zu unserer Freude, wurden wir hier zum essen und zum duschen eingeladen. Und als wäre das nicht schon genug gewesen, bekamen wir sogar noch unsere Klamotten gewaschen und im Trockner getrocknet.
Da es weiterhin schüttete durften wir in den Toilettenräumen zelten. Richard schlief im Behindertenklo, während ich mein Zelt in der Damen Toilette auftstellte. Es hatte brutal viele Moskitos, da war mir das Zelt am liebsten.
Schon bald gingen unsere Wege wieder auseinander, denn ich hatte den Eindruck, dass Richard lieber wieder alleine weiter radeln würde und somit sagten wir lebe wohl und trennten uns an einer Weggabelung.
Das Laternenfestival in Pinxi stand in ein paar Tagen an und das wollte ich auf keinen Fall verpassen. Leider regnete es wieder und es machte nicht wirklich Spaβ pausenlos im Regen zu radeln, zumal meine Schuhe nicht mehr wasserdicht sind, ebenso die Regenklamotten, die ihre besten Zeiten bereits hinter sich haben. Ich hatte vergeblich versucht in Taipei Schuhe zu kaufen, leider hatten sie nirgends meine Gröβe.
An diesem Abend klopfte ich bei der Feuerwehr und fragte ob ich vielleicht irgendwo ein Platz für die Nacht bekommen könnte. Klar, kein Problem und sie zeigten mir ein Bild von einem Brasilianischen Radler, der gerade vor 2 Wochen hier übernachtet hatte. Im Keller war ein Raum frei, dazu gab es warme Dusche und Abendessen und wie immer bei der Feuerwehr in Taiwan, gab es Basketball der NBA im Fernsehen zu bestaunen.
Am Anfang meiner Reise wussten die Leute von Deutschland einige Fuβballer Namen und erwähnten immer wieder Hitler. In China, Laos und Vietnam wussten sie gar nichts über Deutschland. In Taiwan ist es Dirk Nowitzki, Mercedes Benz und BMW.
Pinxi, die Laternenstadt war erreicht. Irre viele Menschen warteten wie ich, bis es dunkel wurde. Man schreibt auf einen Papier Ballon seine Wünsche, zündet den Docht an und lässt ihn gemeinsam mit seinen Liebsten steigen in der Hoffnung, dass die Wünsche in Erfüllung gehen.
Es hatte so ein biβchen was von unserem Silvester. Alle Leute waren fröhlich und umarmten sich pausenlos und begrüβten weiterhin damit das neue Jahr. Es war eine irre Stimmung diese Ballone am Himmel zu betrachten, doch es betrügte mich auch. Ich war die allereinzigste, so jedenfalls hatte ich den Eindruck, die ganz alleine hier war.
Es war irgendwie total einsam um mich herum, obwohl es irre viele Menschen hatte.
Doch, während ich mich noch selbst bemitleidete, tauchte David auf. Ein Ami, mit dem ich stundelang quatschte. Wir gingen die Weltpolitik durch, eines meiner liebsten Themen und ich finde es immer wieder spannend, wie andere Nationen so über politische Themen denken. Er sah die Politik der Amerikaner mit sehr kritischen Augen an und war sehr belesen was die Amerikanische Geschichte angeht.
Er gab an schwul zu sein und ich könne ruhig bei ihm mit im Hotel übernachten, es würde sowieso nichts passieren. Doch irgendwie schmeckte mir die Idee nicht. Es schüttete weiterhin und es war eklig kalt, so fuhr ich ein kurzes Stück mit ihm zusammen mit dem letzten Shuttle Bus Richtung Taipei und David half mir einen Zeltplatz zu finden.
An einem Visitor Center zeltete ich dann wieder in einem Klo, wurde aber pausenlos vom Security Typen geweckt, der dauernd seinen Routinedurchlauf machte. Die ganze Nacht lang, jede Stunde. Ich verfluchte mich selber, dass ich die Einladung von David nicht angenommen hatte.
Manchmal stinkt es mir auch, wie ein Penner zu leben. Allerdings ist das eben der Preis, den ich für meine Freiheit und meine genialen Erlebnisse bezahlen muβ. Setzt man es dann wieder ins rechte Licht, sind auch solche Situationen alle halb so wild, sie gehen vorbei und meistens passiert kurze Zeit später wieder etwas sehr positives und sie sind lange
vergessen.
Und genau so war es auch diesmal wieder, denn ich traf Hans. Ein Deutscher, dem Ingenieur schon auf der Stirn tätowiert war, denn dass er Maschinenbauer war sah ich sofort. Er war auf Business Reise und hatte seinen letzten Abend in Taipei. Wir lernten uns am Visitor Center am Bahnhof kennen,
als ich dort ein paar Fragen stellte.
Er sah mein Rad und sprach mich an. Als ich der Dame am Schalter dann strahlend erklärte, dass ich gerade zum fine dining eingeladen wurde und Hans und ich zusammen weg liefen, sah ich in ihrem Gesicht die Fasslungslosigkeit. Ja, wir Europär sind da etwas lockerer als ihr Asiaten, dachte ich mir und den vielen Regen und die kurze Nacht hatte ich schonlange wieder vergessen.
Es ist schon auch ein riesen Unterschied ob man die gleiche Sprache als Muttersprache spricht und man aus dem gleichen Kulturkreis kommt. Ich kann die Leute viel schneller einschätzen, als einen Fremden. Hans war ein Verbündeter, er kam aus dem gleichen Land, war ebenso öfters schon mit dem Rad
unterwegs gewesen und wir hatten uns einfach irre viel zu erzählen. Ich vertraute ihm sofort.
Während er noch seine letzten Telefonate führte nahm ich ein Bad in seiner Hotel Badewanne. Ach, herrlich, das erste Bad seit Usbekistan. Ein Glück dauerten seine Telefonate ewig lange, so hatte ich ausgiebig Zeit mich zu „pflegen“.
Die kleinen Dinge sind die, die auf so einer Reise die Würze sind. Hans lud mich ins beste Dumpling Restaurant der Stadt ein und wir schlemmten zusammen die unterschiedlichsten „Chinesischen Raviolis“.
Ich wurde auf den neuesten Stand der Weltpolitik gebracht und war einfach nur froh, mich wieder einmal so richtig geistreich unterhalten zu können. Er war mit einer Koreanerin verheiratet und lebt seit ein paar Monaten in Peking und hatte somit auch einen sehr guten Einblick in die Asiatischen Kulturen.
Leider hatte er allerdings für meine technischen Probleme am Rad keine Idee, er meinte nur, „schmeiss das alte Rad einfach weg“ das lohnt sich doch nicht mehr da noch was zu reparieren.
Am nächsten Tag hatte ich wieder riesen Glück, als ich an einem Tempel kurz vor Sonnenuntergang vorbei kam und dort einen Schlafplatz und Abendessen angeboten bekam. Einfach toll.
Seit ich in Taiwan unterwegs bin, denke ich auch oft an den Iran, denn irgendwie ähneln sich die beiden Nationen sehr. Obwohl die Kultur natürlich total unterschiedlich ist, haben die beiden Länder doch einiges gemeinsam.
Der Iran versucht aus seinem schlechten image herauszukommen und alle Iraner erzählten mir jeden Tag aufs Neue, ich solle doch bitte allen meinen Freunden erzählen, dass Iraner gute Menschen sind.In Taiwan ist es ähnlich. Taiwan hat zwar kein schlechtes image, aber es steht unter der Fuchtel von dem Monster Nachbarn China und wird nur als Randerscheinung in der Welt wahrgenommen.
Hier wurde ich oft gefragt, was denken denn Deutsche über Taiwan? Kennen Deutsche Taiwan? Was wusstest Du über Taiwan bevor Du hierher gekommen bist? Sie suchen Anschluβ an die Welt, das merkt man ganz deutlich.
Es wollte und wollte nicht aufhören zu regnen und als ich wieder einmal bei irgendeinem Besucherzentrum im Trockenen saβ, sprach mich ein Taiwanese an. Als er hörte, dass ich Deutsche bin, rief er seinen Kumpel an,ein Deutscher, Michael, der vor seiner Auswanderung nach Taiwan in Weinheim gewohnt hat. Eine Stadt gerade einmal 5 km von meinem Heimatort entfernt.
Michael kam durch den Freudenberg nach Taiwan und war mit einer Taiwanesin verheiratet,sprach aber kein Wort Chinesisch.Ich durfte bei dem Taiwanesen bleiben, dessen Frau mich täglich mit Chinesischem Essen verwöhnte. 4 Nächte wartete ich auf trockenes Wetter. Michael lud zum Deutschen Essen ein und stellte mich einem anderen Michael vor, der in Taipei ein Deutsches Restaurant aufgemacht hatte und ein gemachter Mann war. Ich wurde überall nur verwöhnt.
Ich bekam mein erstes Schnitzel mit Pommes gebacken, Eintopf, Bratkartoffeln mit Spiegelei und wurde mit „Mit Pfefferminz bin ich Dein Prinz“ durch Taipes Straβen kutschiert. Die Heimat war plötzlich gar nicht mehr so .
Durch facebook lernte ich den Junior Boss, Henry, von „KHS“ kennen, der mir anbot mein Rad auf Vordermann zu bringen. Prima, ich bekam jede Menge Teile von ihnen gesponsert und war froh um mein fast „neues“ Rad.
Wir hatten auch diskutiert, ob ein neuer Rahmen angebracht wäre, aber erstens hatten sie keinen, der mir gepasst hätte und zweitens waren sich eigentlich alle einig, dass mein Rahmen noch gut genug sei.
Ich hatte nun also eine neue Felge vorne. Neues Ritzelpaket, Umwerfer, Kette, Zahnkranz, Schaltwerk, neue Züge mit Hülsen, neues Tretlager und Steuerkopfplager. Das Schaltwerk war nun mehr als 60.000 km gefahren, dementsprechend sah es auch aus.
Mit völlig neuem Radlspaβ fuhr ich nun an der Westküste Richtung Süden.
Richard schrieb mir eine Mail und teilte mir ganz stolz mit, dass er nun auch seine elektrische Zahnbürste, seinen riesigen Wasserfilter und seinen Benzinkocher über den Jordan geschmissen hat.
Er bestätigte, dass das Radeln ihm nun deutlich mehr Spaβ machte und er nun freiwillig die ersten Berge erklommen hat. Seine Schmerzen seien viel geringer geworden.
Und so schoene photos !!!