Nun war ich also wieder in den USA und fragte mich wie es denn jetzt weiter gehen soll. Alaska war mein nächstes Zwischenziel, doch bis dorthin war es ein weiter und kalter Weg. Nachdem ich bereits die ganze Strecke durch Arizona geradelt war, kam ich zu dem Entschluss, dass ich versuchen werde irgendwie wieder an den Ausgangspunkt Flagstaff zu gelangen, um mich von dort in Richtung Norden durchzuschlagen. Eine Strecke doppelt zu radeln finde ich sowieso ziemlich langweilig.
Auf dem Weg zum Busbahnhof traf ich auf eine ältere Dame, die sich gerade die Zähne in Mexiko hatte richten lassen, da es dort viel billiger ist. Sie lud mich spontan zu sich nach Hause ein und nahm mich somit die ersten 50 Meilen in Richtung Norden mit. Sie verdiente sich ihr Geld als Hundesitterin bei reichen Leuten in ihrer Nachbarschaft.
Über die Mitfahrzentrale in Tucson kam ich am nächsten Morgen sofort weiter. Eine Dame fuhr von Tucson nach Phoenix und nahm mich sogar umsonst mit. Ruth lud mich noch zusätzlich zum Geschäftsessen mit ihren Kolleginnen ein. Eine herzensgute Frau.
Von einer ihrer Kolleginnen wurde ich zum Flughafen gebracht und von dort ging es schlussendlich per Bus nach Flagstaff. Ich war also schon wieder in Flagstaff.
Ich deckte mich für den kalten Norden mit warmen Klamotten aus den sogenannten thrift stores ein, second hand Läden, die es in jedem kleinen Ort zu finden gibt. Ich musste aber auch ein paar Sachen übers Internet bestellen und somit dauerte wie immer alles etwas länger zum besorgen.
Ron und ich nutzten daher die Zeit und gingen auf gemeinsame Entdeckungstour.
Wir waren in Sedona und bewunderten die roten Felsen. Machten uns auf den Weg zum wunderschönen Coal Mine Canyon und besuchten zudem alte Indianer Ruinen im Wupatki NM.
Schnee schaufelten wir ebenso jede Menge, weil sich die Einfahrt seines Hauses öfters einmal in ein traumhaftes Winter-Wunderland verwandelte.
Doch dann ging es irgendwann weiter und zwei mittlerweile dick gewordene Freunde sagten schweren Herzens zueinander lebe wohl.
Über Lees Ferry entlang der Route 89A sah ich Kalifornische Kondore, hübsch gekleidete Indianer und viel dramatisch schöne Landschaft.
Ich traf von nun an nur noch extrem nette, hilfsbereite Leute und fühlte mich einfach pudelwohl.
Während es tagsüber einigermassen warm war, kühlte es nachts stark ab. Doch waren die Tage immer sonnig und nachts hatte ich zudem immer Gelegenheit ein Feuer zu machen um meine verschwitzten Sachen zu trocknen und mich ein wenig aufzuwärmen bevor ich in den kalten Schlafsack schlüpfte.
Ich war daher sehr positiv gestimmt, dass mein Wintertrip am Ende doch ein Erfolg sein wird.
Auf der House Rock Road ging es auf Lehm weiter. Anfangs kein Problem, doch je höher es hinauf ging desto matschiger wurde der Weg. Schneereste machten mir das Leben nicht einfach.
Kein Verkehr dagegen begeisterte mich wie immer. Einsame Strassen reizen mich noch immer sehr.
Utah war erreicht und kurz dahinter kam ich bereits an den Ausgangspunkt der Wanderung zum Buckskin Gulch. Einem sogenannten slot canyon.
Mit Ryan sass ich am Lagerfeuer und philosophierte über die aktuelle politische Lage in der Welt. Ryan war beim Militär gewesen und hat Zeit im Irak verbracht. Mich interessierte vor allem die politische Stimmung im Wahlkampfjahr in den USA. Positiv sehe ich, dass ich bisher noch niemanden getroffen habe der Donald Trump unterstützt.
An diesem Abend schlief ich im Plumpsklo-Haus. Ich wollte mir die Zeit morgens ersparen die es braucht, bis das Zelt endlich trocken ist. Das ist leider im Winter ein Problem. Das Zelt ist morgens immer gefroren und daher nass, auch der Daunenschlafsack ist immer feucht.
Das stille Örtchen war gar kein schlechter Platz gewesen. Gemütlich ist natürlich was anderes.
6$ musste ich für das Permit für den slot canyon bezahlen und lief hinein in die dramatische schöne Welt des Buckskin Gulchs. Traumhaft. Einen ganzen Tag verbrachte ich zwischen den Felsen und kam aus dem Staunen nicht mehr heraus.
John und seine Freundin hatten am Vorabend für mich in Kanab eingekauft und mir Pasta, Tunfisch, Schokolade und Erdnüsse gebracht. Auch sie waren im Canyon – ausser uns dreien niemand anderes. Herrlich, im Sommer sieht das sicherlich ganz anders aus.
Am Parkplatz wurde ich von einer französischen Familie zur Übernachtung in ihrem riesigen Truck eingeladen. Sicherlich hatten sie Mitleid mit mir und meiner Klobleibe, die ich an diesem Abend nochmals aufgesucht hätte. Doch anstelle Klo, gab es sogar eine Dusche, eine Heizung, ein warmes Abendessen und viel interessante Unterhaltung.
Die Eltern unterrichten ihre Kinder während ihrer langen Reise nach Feuerland selber. Als Nachweis müssen diese einmal monatlich per Internet ihr gelerntes an der Schule in Frankreich unter Beweis stellen.
Vom Buckskin Gulch war es nicht mehr weit bis zum Hwy 89 und von dort nach Big Water.
Zwischendurch gab es Hoodoos und Felsformationen in allen Variationen zu begutachten, doch Ziel für heute war der Start der Smokey Hollow Mt Road. Eine Piste die mich auf die andere Seite des Grand Staircase Escalante NM nach Escalante bringen sollte.
Am Visitor Center riet man mir von der Idee ab. Der Weg liegt zu hoch, es hat zu viel Schnee. Doch der Ranger, den ich vor dem Besucherzentrum traf meinte, das sei kein Problem und sicherlich ein tolles Abenteuer. Ich sollte aber bedenken, dass ich dort ganz alleine bin, denn um die Jahreszeit verirrt sich in diese Gegend niemand.
Der coole Sheriff, mit verspiegelter Sonnenbrille, Cowboyhut, lässigem Gang und einem uralten Sheriff Wagen, der aus dem Blues Brothers Film hätte stammen können, gesellte sich zu uns und präsentierte sich cool wie John Wayne vor mir. Es war zum tot lachen. Aber die Jungs waren richtig nett gewesen.
Die Gegend war gigantisch. Man hätte meinen können die Landschaft sei nicht von dieser Welt. Mars oder Mond hätte eher gepasst.
Ich hatte Essen für ein paar Tage dabei, zudem etwa 12 l Wasser. 80 Meilen Piste hatte ich vor mir und war gespannt was kommen wird.
Der Wind tobte als ich mein Zelt in dieser einsamen Gegend aufstellte, doch nach kurzer Zeit war es auf einmal windstill und absolut Totenstille hier draussen. Bezaubernd. Die Milchstrasse knall hell am Himmel und die Luft klar und kalt. Ich hatte die Welt wieder einmal für mich ganz alleine.
In meinem kleinen Zelt machte ich es mir gemütlich. Kochte mir eine Portion Porridge und zündete mir meine neue Kerzenleuchte an, die nicht nur Gemütlichkeit sondern auch etwas Wärme ins Zelt bringt. Eine tolle Erfindung und bereits zu einem meiner Lieblingsausrüstungsteilen geworden.
Dadurch dass die Lampe geschlossen ist, kann im Zelt eigentlich nichts passieren.
Die Smoky Hollow MT Road startete steil und endete mit einem wahnsinns Blick in die Weite. Dazwischen eine Traumstrasse, wie für einen Radler geschaffen, wenn ich auch einige Höhenmeter an diesen Tag bewältigen musste. Aber es war jeden Schweisstropfen wert und sicherlich war die Gegend eine der schönsten seit ich in Deutschland aufgebrochen bin.
Auf dem Plateau war es nun aber leider sandig oder matschig, doch die Begeisterung die ich für die Gegend entwickelt hatte war viel zu intensiv um mich von so ein bisschen Matsch vom Abenteuer abzuhalten.
Am zweiten Tag ging es auf gefrorenem Boden weiter, doch tagsüber hat die Sonne so viel Kraft, dass sie den Weg in kurzer Zeit in einen Matschweg verwandelt, zumal ich nun immer höher hinaus kam und nun immer mehr Schnee auf dem Weg vorfand. Die ganze Sache entwickelte sich zu einer Tortur und ich fragte mich ob der Ranger wusste von was er eigentlich redete.
Am Tag 3 startete ich bei eisigen Temperaturen vor dem Sonnenaufgang um soweit wie möglich vorwärts zu kommen. Doch schon bald stapfte und rutschte ich wieder im Matsch hin und her und wurde immer mehr mit tiefem Schnee konfrontiert, so dass ich wirklich nach ein paar Stunden am Ende meiner Kräfte war. Irgendwie war es aussichtslos. Aber aufgeben und umkehren?
Leider schmerzte noch zusätzlich mein linker Fuss höllisch von der pausenlosen Schieberei des schwer bepackten Rades.
Kurzfristig geisterte mir in meiner Verzweiflung im Kopf umher ob ich vielleicht meine Sachen irgendwo parke und zu Fuss weiter gehen sollte? Ich hoffte damit meinen Fuss etwas zu entlasten, da die Schieberei mit dem schweren Rad einfach eine extreme Belastung war. Doch wer hätte jemals wieder mit mir, bei den widrigen Strassenverhältnissen, hier her fahren sollen und zudem wusste ich nicht genau wie weit es noch bis nach Escalante gewesen wäre. Auch wusste ich nicht wie weit ich mit dem schmerzenden Fuss noch kommen würde.
Ich war seit 3 Tagen keiner Menschenseele begegnet und so richtig hatte ich keine zündende Idee was ich machen sollte. Doch wusste ich, meine warmen Sachen und mein Zelt müssen bei mir sein – es ist nachts zu kalt um darauf zu verzichten. Die Idee war also Schwachsinn und wurde wieder gestrichen.
Am nächsten Morgen kehrte ich Zähne knirschend um, denn der Weiterweg war in dem tiefen Schnee aussichtlos. Wieder startete ich im Mondschein und gab mein Bestes vorwärts zu kommen.
Dieses Video klingt etwas negativ, aber es war die schlimmste Strecke auf meiner derzeitigen Reise.
An einer Weggabelung am Ende des langen Tages kämpfte ich mit mir selber. Soll ich es wagen einen anderen Rückweg zu wählen? Neue Wege sind immer deutlich spannender, aber ich wollte mich nicht noch weiter in Schwierigkeiten bringen.
Die Neugierde siegte und brachte mich in eine wunderbare Canyonwelt, aber leider auch durch viele sandige Stellen, die mich am Ende nochmals richtig Kraft kosteten.
Es war lange stockfinster als ich wieder am Ausgangspunkt war und einem Auto begegnete
und die Leute nach Essen fragte, denn ich war wirklich ausgelaugt und richtig hungrig. Ich
hatte wieder einmal nicht genug Essen dabei gehabt.
Kaum später fiel ich in einen beruhigten Tiefschlaf und war froh es wieder in die Zivilisation geschafft zu haben – es war mir zwischendurch doch mulmig gewesen, denn sicherlich wäre auch die nächsten Tage niemand vorbeigekommen um mich aus dem Schlamassel zu befreien.
Auf dem Weg nach Page verlor ich meine Jacke, die ich locker an einer Tasche befestigt hatte und es erst gar nicht bemerkte, dass sie runter gefallen war. Ein Auto hielt an und ein freundlicher Herr hatte sie für mich eingesammelt und wünschte mir eine schöne Reise.
In Page gönnte ich mir 2 Tage Fussregenerationspause in einem billigen Hotel, während
draussen der Wintersturm tobte. Vor allem war ich froh, dass ich umgedreht war, bei dem
Sturm wäre ich in Teufelsküche gekommen.
Ich wusste also von nun an konnte ich alle meine Pistenpläne streichen, denn mit dem neuen Sturm kam mehr Schnee dazu und somit war es nun noch aussichtsloser um auf den Pisten wirklich vorwärts zu können.
Schade, aber leider nichts zu machen.
Ich war auch langsam in Zeitdruck, denn ich hatte nicht mehr allzu viel Zeit – der Weg ist weit und ich muss am 26.3. die Grenze nach Kanada übertreten.
Utah ist das Land der Mormonen und obwohl ich auch immer wieder negative Stimmen über Mormonen hörte, muss ich sagen bin ich nur extrem freundlichen und hilfsbereiten Mormonen begegnet, die alle nur das Beste für mich wollten.
Eine extrem grosse Familie zu haben scheint wichtig zu sein, ebenso sind viele in ihrer Gemeinde aktiv und ein paar von ihnen sind weltweit bereits als Missionare tätig gewesen. So kam ich bei Mormonen in Kanab in einem Hostel unter, da es nachts lausig kalt war.
Die Besitzer verwöhnten mich mit Essen und einer gratis Übernachtung weil sie meine Reise beeindruckend fanden. Wäsche waschen und viel ausruhen bis es am nächsten Tag
wieder weiter ging. Ein tolles Hostel was ich wirklich jedem empfehlen kann.
Am Eingang des Zion NP wurde ich vom Ranger darauf aufmerksam gemacht, dass ich erstens 15 $ Eintritt bezahlen sollte und zweitens nicht durch den Tunnel radeln darf und mir somit eine Mitfahrgelegenheit in einem Auto dafür organisieren sollte.
Nachdem man immer pro Auto den Eintritt für den Park bezahlt und nicht pro Person, meinte ich zu ihr: „Ach wissen Sie, dann nehme ich die Mitfahrgelegenheit gleich von hier aus, dann kann ich mir den Eintritt sparen.“ Am Ende nahm sie mich auf ihrem Feierabendweg mit durch den Tunnel mit und fragte nicht weiter nach den 15 $.
Die Landschaft war weiterhin zauberhaft. Rote Felsen soweit das Auge reicht. Abgelegene Strassen und beeindruckende, endlose Weite. Es war gigantisch hier draussen.
In St.George wurde ich von einem Mormonen Ehepaar nach Hause eingeladen und mit einem kuscheligen Bett und leckerem Abendessen verwöhnt.
Sie hatten bereits Rubina Soorty auf ihrem Weg durch die USA zu Gast und waren erstaunt, dass ich sie kannte.
„Die Radlerszene kennt sich untereinander,“ war meine Antwort darauf. Mit Vesper und 20 $ wurde ich wieder auf die Strasse geschickt.
Von nun an ging es wieder bergauf und aus dem warmen Wetter in St. George wurde eine eiskalte Gegend in Enterprise. Es war bereits weit unter 0 Grad als ich in Enterprise ankam und mit einer wunderschönen Schneelandschaft konfrontiert wurde.
Ich versuchte eine geschützte Stelle ausfindig zu machen und wurde an den Mormonen Bischoff vermittelt.
Er war so hilfsbereit, dass er mir eine Übernachtung im einzigsten Motel des Ortes bezahlte.
Eines steht fest, Mormonen sind extrem gastfreundlich.
Morgens ging es bei minus 15 Grad und leichtem Nebel los. Es war zauberhaft und kalt zur selben Zeit. Doch im Laufe des Tages erwärmte sich das Land und ich konnte es wirklich geniessen in dieser verlassenen, weissen Gegend unterwegs zu sein.
Kurz hinter der Grenze zu Nevada kam ich die Nacht im geheizten Kloraum des Cathedral Gorge State Parks unter und war gespannt wie es nun in Nevada weiter gehen wird.
Moin Heike,
ich habe mich heute wieder wenig fernsüchtig bei dir gelesen, sprich ich habe Deine Reiseberichte aus Japan und den USA nochmal genossen 🙂
Bei dem Bericht Nr. 56 bin ich allerdings über den link: rubyrideon gestolpert.. Ist der noch aktuell? Ich kann davon leider gar nichts lesen..
Herzlichen Gruß und weiterhin gute Fahrt.
Hallo Nicole,
Danke Dir – freut mich !!!
Ja Du hast Recht der Link funktioniert nicht mehr…..habe ihn gelöscht. Danke.
Lieben Gruss Heike
Liebe Heike,
wie schön, dass Du mich mit in die Buckskin Gulch und Escalante genommen hast! Genau dort wollten wir auch hin, konnten aber leider nicht, weil uns die Flüge in die USA gestrichen wurden.
Deine Beschreibung vom Arizona Trail oder auch jetzt hier, lesen sich schon recht krass.
Ich bin schon ziemlich beeindruckt, was Dein Körper da alles wegstecken muss, ganz zu schweigen von den psychischen Strapazen. Du wirst zwar mit genialen Landschaften, netten Freundschaften oder einem freundlichen Lächeln belohnt, aber der Preis ist manchmal recht hoch.
Weiterhin eine gesunde und schöne Reise!
Alex
Liebe Alex,
ja, es ist nicht immer einfach, aber ich wollte mit niemandem tauschen!
Mein Leben ist super, so wie es ist!
LG Heike