“Bitte geh doch endlich weiter” rede ich auf Momo ein. Der Himmel mittlerweile pechschwarz und zudem blitzt und donnert es.
Momo steht still. Ich ziehe wie bekloppt am Seil, wedle mit meinem Stock vor ihm her um ihn zum weitergehen zu motivieren, aber Momo macht keinen Schritt mehr, im Gegenteil, Momo hat entschieden sich umzudrehen und den Rückzug anzutreten.
“Hast du Angst vor der Brücke?” rufe ich ihm zu und laufe ihm zwangsweise hinterher.
Keinen Kilometer weiter, gibt es laut OSM App eine Hütte, die ich natürlich gerne noch vor dem Gewitter erreicht hätte, aber mit Django und Momo kommen wir halt einfach nicht vorwärts.
“Butch, komm!” und wir beide suchen einen Alternativweg, um nicht durch den mega Schlamm laufen zu müssen, den wir mit der kleinen Holzbrücke hätten vermeiden können.
„Oh Mann, wir könnten bereits lange am Häuschen sein und dort im Trockenen das Gewitter abwarten, hätten wir nicht die Esel an der Backe“ schimpfe ich und im gleichen Moment fängt es an zu regnen.
Nein, falsch ausgedrückt, es fängt an wie aus Eimern zu kübeln.
Butch findet recht schnell einen Alternativweg, mit denen die beiden hübschen Esel auch einverstanden sind. Wir trotten also im Eseltempo und im strömenden Regen weiter.
An dem angepeilten Unterschlupf dann endlich angekommen, stellt sich heraus, dass die Hütte leider abgeschlossen ist und es weit und breit nur Matsch und verfallene Ställe für Schafe gibt. Zudem eine Abbruchkante und viel Wind der vom Tal die Berge hinaufbläst.
Meine Regenjacke ist leider schon seit Jahren nicht mehr wasserdicht und so merke ich, dass das Wasser mittlerweile den Rücken herunter läuft.
Zugegebenerweise mache ich mir etwas Sorgen, wie wir bei dem patschnassen Boden die Nacht verbringen werden.
Normalerweise wäre ich einfach weitergelaufen, zur Not auch noch in die Nacht hinein, um einen trockenen Unterschlupf zu finden, aber mal eben noch schnell den Standort wechseln ist halt leider nicht drin.
Mal eben schnell kennen Esel nämlich nicht.
Ich binde also Momo und Django am Zaun an und erkunde mit Butch die Umgebung und finde tatsächlich eine klitzekleine Hütte als Unterschlupf.
Dreckig und verstaubt, aber ideal für uns, um die Nacht im Trockenen zu verbringen.
Butch hasst Regen genauso wie ich und ist mittlerweile total durchgefroren, während die beiden Esel tapfer den Regen aushalten und geduldig warten wie es weiter gehen soll.
Eines habe ich bereits heute an Tag zwei begriffen: Ich muss meine eigenen Bedürfnisse ganz hinten anstellen und die Tiere kommen zuerst.
Daher absatteln, das Gepäck in die kleine Hütte stellen und ein Gebiet einzäunen, damit Momo und Django die Nacht über fressen können.
Wie ich gestern feststellen konnte, dauert das einzäunen gar nicht mal so lange. Allerdings scheint heute irgendwie der Wurm drin zu sein.
Phil, der Schotte und Besitzer der Esel, hatte mich eindrücklich gewarnt, dass ich das Abspannseil nicht verheddern soll, aber es passiert natürlich genau das!
Und weil es ja so mega Spaß macht im strömenden Regen dann noch ewig das Seil auseinander zu friemeln, bleibt mir im Moment leider nichts anderes übrig, genau das jetzt zu tun.
Erstaunlich ist, dass die Esel sich wirklich nicht an das gespannte Absperrseil trauen und ich somit entspannt schlafen kann, ohne Angst haben zu müssen, dass sie abhauen.
Dann noch das Zelt in der winzigen Hütte aufstellen, was bei einem UL-Zelt ohne Stangen und nur mit Trekkingstock leider immer eine Bastelei ist, aber irgendwann ist auch das geschafft.
Butch und ich liegen also endlich im Zelt. Es ist 22 Uhr und bereits lange dunkel. Butch durchgefroren, liegt er Breitseite auf unserer Matte und wärmt sich an meinen Beinen.
Der Regen donnert mittlerweile nicht mehr auf das Blechdach der Hütte. Endlich hat es aufgehört zu regnen.
Die Spinnen und riesigen Mücken, die unter dem winzigen Blechdach zu Hause sind, nerven uns im Inneren des Zeltes ein Glück nicht weiter.
Ich muss zugeben, selbst nach den vielen Jahren draußen, finde ich Spinnen noch immer ekelhaft und bin immer froh, wenn das Moskitonetz des Zeltes mich von den kleinen 8-Beinern fernhält.
Von Weitem höre ich das Gebimmel der Schafe, vielleicht aber sind es auch Pferde, denn komischerweise haben Pferde hier ebenso Glocken um den Hals hängen, wenn auch größere.
Unsere beiden neuen Freunde, Momo und Django höre ich Gras rupfen, ansonsten ist es still. Kein Motorengeräusch, keine Menschen, nichts.
Jetzt noch Butch und mich selber auf Zecken untersuchen und dann endlich schlafen.
“Hoffentlich hält die Luft in der Matte heute länger als letzte Nacht. Schlaf gut,“ und ich drehe mich um, zerre am Quilt, um auch etwas Decke abzubekommen und versuche zudem auch Platz auf der Matte zu finden.
Fakt ist, unsere Matte ist zu schmal für uns beide, der Quilt zudem zu kurz.
Als Abschlussgedanken für den Tag gehen mir die alten Zeiten durch den Kopf.
Die Zeiten, in denen ich nur ein Fahrrad hatte und mich sonst um nichts weiter kümmern musste, außer strampeln.
Fast schon langweilig damals, grinse ich vor mich hin.
Rückblickend kann ich an Tag zwei der Eselwanderung sagen: Was ein aufregender Tag – wo doch gestern alles so gut angefangen hatte.
Doch jetzt erst einmal von vorne.
Seit Jahren träume ich nun bereits davon mit Eseln eine lange Reise zu verwirklichen. Bisher hatte es aber leider nie geklappt.
Entweder kam Corona dazwischen, wie etwa in Kolumbien, als ich damals bereits einen Esel gefunden hatte, ihn aber wegen Corona nicht mehr kaufen durfte.
Oder aber ich fand anstelle eines Esels auf der Baja California in Mexiko dann meinen geliebten Butch.
Im Macholand Chile wollte man mir als Frau erstmal keinen Esel verkaufen.
Zudem hatte ich anschließend Pech mit einer Deutschen in Santiago de Chile, bei der ich zwei Wochen auf dem Pferdehof im Sattelstall hauste. Am Ende wurde ich mit einem Maultier und einem uralten Sattel losgeschickt, der nach 500 Metern bereits zusammenkrachte und ich dann genervt nach einem Fahrzeug umschwenkte und mir ein Tuk Tuk kaufte.
Nun in Spanien, war für mich von Anfang an klar, dass ich es mit dem Esel noch einmal versuchen möchte. Nur wo, das wusste ich noch nicht.
Ich dachte an eine langsame Annäherung, ein paar Testläufe irgendwo, Erklärungen und Hilfestellungen, die mir jemand geben kann.
Als es nach 800 Kilometern anfing zu nerven immer nur ungesundes Essen zu essen, weil insgesamt die Ausrüstung einfach zu schwer ist und ich daher frische Sachen nicht auch noch tragen kann, fing ich an im Netz zu surfen und stellte mit Freude fest, dass keine 100 Kilometer entfernt ein Eseltrekking Anbieter lebt.
Phil und seine Tochter Ishai empfangen uns herzlich, doch anstelle einer langsamen Einführung, werde ich ins kalte Wasser geschmissen und Phil meint nur so: “Ach das ist alles ziemlich einfach, das packst du!”
Das machte Phil von Anfang an sympathisch.
Er zeigte mir wie man den Sattel montiert, wie man die Esel führt und gab mir zudem eine kurze Einweisung wie ich ein Stück Wiese abspanne, damit die beiden Esel nachts genug Platz zum Fressen haben, aber nicht auf die Idee kommen abzuhauen. Mehr dann auch nicht.
Am Morgen unseres ersten Tages waren alle seine vier Esel ausgerückt. Abgehauen, das Tor umgetreten und die Nachbarn haben Bescheid gegeben, dass die Esel mal wieder abgehauen sind.
Eine etwas längere Suchaktion mit Auto und sie waren alle wieder an Ort und Stelle wo sie sein sollten.
„Au Backe, hoffentlich passiert mir das nicht“ gebe ich noch kleinlaut von mir, doch für Phil schien das Altag zu sein und somit wenig aufregend.
Eigentlich wollte Phil, dass ich mit allen vier Eseln losziehen soll, aber da bin ich nicht drauf eingegangen.
„Sie werden sich dann gegenseitig vermissen, vielleicht gibt es Probleme?“ meinte er.
„Ich laufe doch nicht bei meiner ersten Eselwanderung gleich mit vier Eseln los. Nein, maximal zwei.“
Die ersten Meter auf unserem geplanten fünftägigen Marsch begleitet er uns noch, danach sind Butch und ich mit den zwei Eseln alleine.
Alles läuft nach Plan, alles fühlt sich einfach an, zumindest mal die ersten Kilometer.
Phil hatte mir eine Route empfohlen, der wir Anfangs folgen. Ein wunderschöner Canyon, die Blumen blühen, die Aussichten richtig gut.
Die saftigen Wiesen scheinen lecker zu schmecken, denn die beiden Esel finden fressen ziemlich cool und so kommen wir wenig vorwärts.
Butch immer wieder vorne, kommt jedesmal fragend zurück – frei nach dem Motto: Sag mal kommt ihr gar nicht vorwärts?
Nein, so richtig vorwärts kommen wir nicht, vorallem bergauf nicht.
Django, der heute am ersten Tag dieses Abenteuers mit Taschen bepackt ist und mit Sattel etwa 20 Kilo trägt, lässt sich gut führen.
Ein freundlicher und gutmütiger Zeitgenosse. Doch verfressen ist er auch. Ich ziehe ihn also immer wieder weiter, damit wir nicht bei jedem Grashalm aufgehalten werden.
Was die richtige Taktik ist, um auch wirklich Strecke zu machen, ist mir noch nicht ganz klar. Wir arbeiten noch dran.
Momo dagegen hat Freilauf und trottet hinter uns her und nutzt die Zeit um so viel wie möglich in sich hineinzustopfen.
Wir kommen durch einen super schönen Buchenwald, wandern über Stock und Stein und rutschen den nassen Waldhang hinunter, weil der Boden super rutschig ist.
Tollpatschig sieht es aus, wenn die beiden schweren Tiere den Hang hinunterschlittern, beeindruckend zugleich. Irgendwie aber auch besorgniserregend für einen Eseltrekking-Greenhorn wie mich.
Auf einer eingezäunten Weide binde ich Django kurz am Zaun an, öffne das Tor, ziehe die beiden auf die andere Seite und schließe das mit Stacheldraht versehene Tor wieder hinter uns zu.
Kurz danach sehe ich die beiden an Pferdeäpfeln riechen und kaum später höre ich große Glocken bimmeln und sicherlich 30 riesige Pferde auf uns zurennen.
Butch wird nervös, ich ebenso und die Esel wissen scheinbar gar nicht was sie machen sollen.
Sprich wir alle vier sind super unsicher je näher die Pferde kommen. Schöne Pferde, mit buschigen Haaren an den Füßen, groß und sehr gepflegt.
Doch irgendwann sind sie so nah bei uns, dass Butch anfängt zu bellen. Ich hebe meinen Stock in die Höhe, schreie auf sie ein, dass sie nicht näher kommen sollen. Die Esel stehen dabei wie angegossen neben uns.
Langsam ziehen wir weiter. Butch wie immer in Führung, dann ich mit Seil in der Hand, Django hinter mir am Seil und Momo stapft notgedrungen hinterher.
Doch das laute Läuten der Glocken will einfach nicht leiser werden und das hektische hin und her rennen der Pferde ebenso wenig.
Mit lautem Rufen halte ich sie weiter auf Abstand. Ein Glück sind wir schon bald am nächsten Weidezaun. Zu meiner Frustration befinden sich dahinter allerdings sicherlich fünfzig riesige Kühe.
Na toll, war alles was mir durch den Kopf ging. Sicherheitshalber leine ich Butch an und ziehe die Karawane über die nächste Weide.
Auch die riesigen Kühe kommen neugierig immer näher, doch wir schlagen uns tapfer durch die Menge.
Phil hatte versprochen uns abends zu besuchen, sicherlich will er sehen, ob auch alles soweit in Ordnung ist und mir die Gelegenheit geben zur Not Fragen stellen zu können, falls Fragen offen sind.
Abgemacht war eine Kirche mit toller Aussicht. Eine trockene Zeltstelle unter dem Dach und genug Gras zum Fressen für die Esel.
Einige Leute kommen vorbei, doch keiner fragt irgendetwas, keiner hat eine Meinung oder Bedenken.
Ich spanne das ursprüngliche Elektrozaunkabel und verbinde mehrere Bäume miteinander, um die Wiese für die Esel abzugrenzen.
Ich hole Wasser für alle und bin innerhalb einer Stunde fertig mit dem Aufbau des gesamten Camps und genieße mein gekochtes Apfel-Porridge während sich Butch an Sardinen aus der Dose erfreut.
Wir sind ja hier in Spanien. Gegessen wird ab 21:30 Uhr, ins Bett geht man nach Mitternacht.
Phil und seine schottischen Kumpels kommen daher spät zu uns, doch genieße ich den Besuch sehr, einfach deswegen, weil es schön ist sich auch mal unterhalten zu können.
Zudem meint Phil zu meinem kreierten Zaun:“10 points – all good!“, was mich natürlich freut und motiviert weiter zu machen.
Am Tag zwei, also an dem Tag an dem wir abends in der kleinen Hütte landen, fange ich an zu verstehen, dass kleine Hürden zu einem riesigen Problem werden können.
Ob das nun ein Tor ist, bei dem der Durchgang nicht breit genug ist oder etwa Bodengitter, die das Vieh abhalten, um nicht auf die nächste Weide zu laufen.
Denn natürlich mögen auch die Esel diese Gitter nicht. Von Brücken ganz zu schweigen, doch davon habe ich ja bereits erzählt.
Die Landschaft ist wirklich sensationell. Alles ist super grün, kein Wunder bei dem vielen Regen.
Die Aussichten einfach toll. Die Wege abwechslungsreich. Von eng und steil, zu breit und eben. Von allem etwas. So soll es sein.
Als wir an einen tollen Aussichtspunkt kommen, hält Django inne und vergisst für ein paar Minuten das Fressen und schaut sich die Umgebung an.
Er steht dort an der Abbruchkante im Blumenmeer und macht einen zufriedenen Eindruck. Wie ein Wanderer, der am Gipfel steht und zu seinen Kumpels sagt:“ Wow, schaut mal, ist das nicht toll?!“
So ganz anders als Butch, der meiner Meinung nach für Aussichten gar nichts übrig hat.
Die Esel sind angenehme, ruhige Zeitgenossen, wobei ich mit Momo weniger zurecht komme. Er macht den Eindruck genau das Gegenteil von dem zu wollen, was ich möchte.
Mittlerweile ist mir klar, dass Esel genauso ihre individuellen Character haben, wie Hunde oder Menschen und dass die Auswahl des Esels mit dem man eine Wanderung machen möchte eine deutlich wichtigere Entscheidung ist, als der Sattel oder die Taschen.
Wenn der Esel nämlich keinen Bock hat, dann hat er absolut keinen Bock! Wie Momo eben.
Deshalb ist auch Tag zwei, also der Tag mit dem Gewitter, ein frustrierender Tag, während Tag eins mit Django am Seil und in Führung richtig positiv endete.
Am Tag drei morgens, hat Butch Angst davor aus der kleinen Hütte nach draußen zu laufen, weil acht lange Eselbeine vor der Hütte stehen.
Zudem startet der Tag damit, dass ich zwar trockene Socken aus meinem Rucksack fische, aber patschnasse Schuhe, einen nassen Pulli und eine feuchte Hose anziehen muss.
Alles ist Nebelverhangen. Das Gras patschnass, die Sicht unter 100 m. Ich schätze die Außentemperatur auf 10 Grad, daher ist es etwas wärmer als die letzten Wochen.
Zugegebenerweise habe ich vom Regen echt die Nase voll. Vorallem Regen mit kalten Temperaturen sind einfach ätzend.
Sechs Wochen lang scheiß Wetter zu haben ist einfach mindestens fünf Wochen zu lange.
Weil mein Monats-Guthaben auf dem Handy abgelaufen ist und ich es leider verpennt habe, die monatliche Gebühr rechtzeitig an einem Kiosk zu bezahlen, konnte ich Phil am Vorabend nicht auf dem Laufenden halten und machte mir Sorgen, dass er evtl. Angst um seine Esel hat.
Das zwingt mich dazu in Richtung einer großen Straße zu laufen, um jemanden anzuhalten, um ihn anzurufen.
Bereits das zweite Auto hält an und lässt mich telefonieren.
“Ja, ich habe mich gewundert, dass du dich nicht gemeldet hast, aber Sorgen habe ich mir noch nicht gemacht” meint Phil.
Zwei wandernde Brasilianer tauchen auf.
Wow, andere Wanderer? Wer hätte gedacht, dass in so einem wunderschönen Wandergebiet am Ende doch auch andere Wanderer unterwegs sind? Ich wundere mich ja seit Wochen, dass hier nie jemand wandert?
Coole Typen, die sich freuen uns zu treffen.
“Endlich mal jemand der mit uns redet“, meint Juan, der seinen Kumpel vorstellt, der ebenso Juan heißt.
“Ja, die Leute reden hier nicht viel” ist meine Antwort.
“Freundlich sind sie auch nicht” sagt einer der beiden Juan’s und so witzeln wir ein wenig über die Spanier.
Ich finde leider nirgends Wasser und so müssen wir ins nächste Dorf. 12 Kilometer, mit Eseln schon fast eine Tagesreise entfernt.
Im Dorf angekommen, grüße ich die drei einzigen Menschen auf der Straße, ebenso die eine Frau, die am Fenster steht und schnell das Fenster schließt, um nicht zurück grüßen zu müssen.
Schon seltsam, aber irgendwie auch verständlich, denn Fremde kommen hier wohl eher selten her.
Ich fülle also die Wasserflaschen, gebe den Tieren Wasser und wir laufen zu den Feldern, die das Dorf umgeben, damit ich Mittagessen kochen kann, Butch seinen Mittagsschlaf bekommt und die Esel fressen können.
Bei strahlendem Sonnenschein sitze ich im Gras und genieße meine Pause und die Wärme.
Wow, ist das anstrengend! Ich bin völlig platt und würde am liebsten selber eine Runde schlafen.
Leider musste ich in der Nacht wieder alle zwei Stunden meine Matte aufblasen und hoffe, dass ich schon bald Gelegenheit haben werde das vorhandene Loch zu flicken. Guter Schlaf ist einfach wichtig.
Während ich also koche und es genieße frisches Gemüse in meinen Topf zu schneiden, rennt Momo in Richtung Straße.
“Halt halt!” und renne ihm hinterher, damit ich ihn wieder einfangen kann.
Butch sofort als Helfer parat, packe ich Momo am Seil und ziehe ihn zurück zu unserem Platz, wo es genau die gleichen Pflanzen zu fressen gibt, wie dort wo er hin will.
Fünf Minuten und schon ist er wieder weg! Ich wieder hinterher und um das Chaos perfekt zu machen, kocht das Essen in der Zeit leider über. Pause machen fühlt sich sonst irgendwie anders an.
Beim dritten Mal abhauen, binde ich Momo bei Django mit an und merke kaum später wie ihn das total nervt.
Die Taschen liegen nicht weit weg von den beiden und so fängt Momo an sie zu kicken. Ich denke er will mir sagen: Spinnst du? Ich will fressen!
Django dagegen scheint die Pause zu gefallen, auch Butch genießt seinen Schlaf.
Während ich mein Mittagessen versuche zu essen, überlege ich natürlich, ob das auf Dauer mein Ding ist? Kann ich das nach so einer kurzen Zeit überhaupt einschätzen?
Was sind die Vor- und was die Nachteile einer Reise mit so vielen Tieren?
Wo kann ich überhaupt mit ihnen hin? Grenzformalitäten, Distanzen etc. Aber auch so banale Dinge wie mal in einem Bett schlafen oder duschen wollen?
Wie ich ja weiß gibt es für fast alles immer eine Lösung, die Frage ist aber ob der Preis am Ende zu hoch ist?
Was ist auch wenn ich mich in die Tiere verliebe? Kann ich sie am Ende der langen Reise wieder abgeben und mit gutem Gewissen ein neues zu Hause für sie finden?
Zwei Esel sind angeblich besser, weil es Herdentiere sind, aber ist es am Ende doch zu viel Arbeit mit zwei weiteren Tieren unterwegs zu sein?
Wieviel shitstorm werde ich online bekommen, weil Menschen glauben ich würde die Tiere schlecht behandeln, indem ich sie in ihren Augen mit zu viel Gepäck belade?
Warum träume ich bereits schon so lange davon mit Packtieren zu reisen?
Ich suche Antworten. Beobachte und hinterfrage.
Sanft, leise und langsam durch die Welt zu wandern und dabei autark zu sein, wäre sicherlich eine tolle Sache und bei dem schönen und positiven Gedanken werde ich von einem Mountainbiker vom träumen unterbrochen, weil er mich freundlich grüßt und ich happy zurück winke.
Ich bin also hin- und hergerissen ob das auf Dauer was für mich ist. Angst vor der Verantwortung habe ich auf jeden Fall, das hatte ich bei Butch allerdings ebenso.
Am Abend kommen wir in Sabando an. Ein winziger Ort, wie alle Orte hier.
Ich habe extra einen Weg gewählt um am Ende des Tages in einem Dorf zu enden und um zu sehen wie einfach oder auch schwierig es ist dort ein Gebiet einzuzäunen und in der Nähe zudem ein Zelt aufstellen zu können.
Schließlich soll diese Testwanderung auch zeigen, wie realistisch so eine Wanderung auf Dauer ist, denn irgendwann werde ich ja auch wieder mit der Zivilisation konfrontiert. Nur im Wald wandern geht ja auf Dauer nicht.
Wie immer bietet der Vorplatz der Kirche des Dorfes einen trockenen Platz für das Zelt und genau gegenüber nutze ich ein Stoppschild um neben der Hauptstraße das Absperrband mit einem Grenzzaun zum Spielplatz zu verbinden.
Die Hunde des Ortes feiern unsere Ankunft, das Hundegebell nimmt kein Ende.
Butch ist mittlerweile mit jedem Hund bekannt und liegt schon bald darauf hundemüde im Zelt, als ein Mann zu uns kommt.
“Wie lange wollt ihr bleiben? Woher kommt ihr? Das Gras nutzen wir als Alfalfa, aber in einer Nacht fressen die Esel ja nicht viel, ihr könnt also bleiben. Sind das die Esel von Phil?”
Hurra, es interessiert sich jemand für uns – ein Grund um freundlich ein Gespräch zu führen und alle Fragen zu beantworten.
Am vierten Tag regnet es zur Abwechslung mal wieder und ich mache einen riesigen Anfängerfehler.
Mir ist am Morgen bereits unwohl, weil ich weiß , dass Momo heute wieder an der Reihe ist das Gepäck zu tragen und ich davon ausgehe, dass es somit wieder Ärger geben wird.
Ich wähle einen Weg, der uns nahe an die Heimat der beiden führt und genau das ist leider der Start eines weiteren Problemtages.
Oben auf einem Plateau angekommen, packe ich mein Baguette aus, welches ich im Dorf einem Bäcker auf Rädern abgekauft habe und fange an zu frühstücken, während Momo mich immer wieder schubst und mich richtig energisch darauf drängt ihm mehr davon zu geben als ich bereits tue.
Die Luft ist unangenehm zwischen uns beiden während Django wie immer easy und zeitnah hinterher kommt.
An einer engen Stelle passiert dann dass vor was es mir am meisten graute.
Momo entscheidet abzuhauen. Ich versuche noch ihn am Seil zu halten, komme aber gegen seine Kraft nicht an und bevor ich mich womöglich verletze, lasse ich los und er rennt weg und mit ihm Django.
Nun stehen Butch und ich wie angegossen da. Durch den dichten Wald und die vielen möglichen Pfade habe ich leider keine Ahnung in welche Richtung sie wohl gerannt sind.
Phil kann ich nicht anrufen und ihn um Tipps fragen, wie ich sie am Besten wieder finde, denn mein Telefon funktioniert ja nicht.
Was ist also die richtige Taktik zwei Esel wieder einzufangen?
Butch und ich laufen los. Gefühlt laufen wir jeden kleinen Pfad ab, doch von den Eseln keine Spur.
Ich entscheide weiter in Richtung deren Heimat zu laufen und genau da finde ich sie wieder. Nach etwa zwei langen Stunden sehe ich die orangenen Taschen aus der Ferne leuchten.
Puh, nochmal gut gegangen und vorsichtig nähern wir uns den beiden.
Anstandslos laufen sie mit uns weiter.
Es geht irgendwann steil den Berg herunter und plötzlich stehen wir vor einer Felsstufe, die sicherlich einen Meter hoch ist und ich nur so:“ Scheiße, alles wieder zurück“, als Momo einfach mit allen vier Beinen gleichzeitig die Stufe herunter springt und Vollgas gibt.
Er überholt mich dauernd während dem Abstieg und sein Tempo wird mir echt unangenehm. Er schiebt mich zur Seite, drängelt und pöpelt.
Ich versuche ihn immer wieder zu stoppen um Ruhe in die Gruppe zu bringen, aber Momo hat nur ein Ziel: die Heimat.
An einer Wegekreuzung möchte ich links, doch Momo geht nur rechts.
Ich beuge mich also nach einiger Zeit dem Willen des in dem Fall Stärkeren und wir joggen fast die letzten Kilometer bis die beiden 200 m vor Phil’s Haus stehen bleiben und weder vor noch zurück wollen.
Sie stehen da und egal in welche Richtung ich sie ziehe, sie bleiben stehen.
Das Seil ist lang genug um sie an einem Geländer anzuseilen um dann zum Haus zu laufen, in der Hoffnung, dass Phil’s Tochter helfen kann, denn Phil ist im Kletterurlaub.
Zuerst versucht sie es alleine, kommt aber auch nicht weiter, doch zu zweit schaffen wir es den Dickkopf Momo zu überlisten und treiben die beiden gemeinsam zu seinen zwei Kumpels, die wir vor vier Tagen zurück gelassen haben.
Ende gut alles gut?
Butch und ich gehen ins Dorf in der Hoffnung, die SIM Karte wieder aufladen zu können und kommen auf dem Rückweg bei den Eseln vorbei, die aber bereits wieder ausgebrochen sind.
Nicht weit davon entfernt sehe ich Ishai vergeblich die Esel wieder einzufangen.
„Momo, dieser Fucker“ höre ich sie schimpfen.
Gemeinsam bringen wir sie wieder zurück und einer der Nachbarn bastelt am selben Abend noch ein stabiles Tor, damit sie nicht wieder abhauen können.
Statt fünf Tage sind es am Ende nur vier Wandertage, die wir unterwegs sind. Aber das ist im Prinzip egal.
Ein nervenaufreibendes, ganz spezielles Abenteuer. Ein richtiges Abenteuer!
Als ich unter der Dusche stehe und das heiße Wasser genieße, frage ich mich dann: Und das willst du jetzt ernsthaft jeden Tag mitmachen?
Trinkgeld
Butch und ich leben von diesem Blog.
Wenn du unsere Abenteuer unterhalsam findest, würden wir uns sehr über ein Leckerli von dir freuen.
Herzlichen DANK.
Hallo und noch ein frohes neues Jahr,
vlt. kennst Du ja zufälligerweise auch diese Dame?
https://www.youtube.com/watch?v=ppgQ3jcxTGs
https://www.eseljonny.de/jonny-und-lotta/
Sie lebt ja am Starnbergers -nicht immer- auf einem Eselhof
Gruß
Martin
Hallo Martin, ebenso alles Liebe für 2025 für dich.
Ja ich „kenne“ die Dame. Sie ist ja mal relativ kurze Zeit über die Alpen gewandert.
Es gibt aber andere Leute die Jahre mit Eseln unterwegs sind die ich deutlich spannender finde 😊.
LG Heike und Butch
Liebe Heike, was für eine tolle Geschichte mit den Tieren. Es war wieder sehr spannend und unterhaltsam. Vielen Dank fürs Teilen deiner/ eurer Erlebnisse. Man stellt sich das so einfach vor… – und dann zeigen die Tiere wo es lang geht. Ich musste zwischendrin so lachen bei der Vorstellung von Momo. Weiter gute Reise auf Sardinien❣️
LG Petra🦋
Lieblingsschwägerin….
Danke 🙏
Selbst ich muss noch lachen wenn ich an die Eseltage denke – ja, man stellt sich dass so einfach vor … wie wahr 🥴
Dir eine tolle Zeit in Frankreich.
Wir knuddeln dich
Heike und Butch