Mit einer heißen Tasse Tee und selbstgebackenem Brot, sitze ich auf einem von der Sonne angewärmten großen Stein. Mein Blick geht Richtung Westen.
Was ich dort sehe ist eine massive Felswand. Roter Sandstein, teils grün bewachsen, zudem stellenweise eingehüllt in Wolken.
Davor kreist ein Kondor seine Runden. Majestätisch gleitet er dahin. Selbst mehrere hundert Meter, die uns trennen, lassen mich noch immer erahnen, wie groß dieser Vogel aus der Nähe sein muss. Wahnsinn. Wirklich sensationell so einen Riesen im Flug zu beobachten.
Kein Film könnte spannender sein, denn entweder die Tukane fliegen von einem Baum zum Nächsten, oder ein Schwarm grüner Papageien taucht plötzlich aus dem Nichts heraus auf, kreischt lautstark und verschwindet kurze Zeit später wieder aus meinem Blickfeld. Immer wieder entdecke ich neue Vogelarten und bin völlig begeistert von der Artenvielfalt, die hier herrscht.
Doch nicht nur Vögel versüßen mir den Tag, nein auch die Pflanzenwelt begeistert mich. Alles ist neu. Früchte, die ich nicht kenne, Blumen, die ich noch nie gesehen habe, oder riesige Bäume, bei denen ich mich frage, wie alt sie wohl bereits sind.
Am liebsten wäre mir im Moment ein sehr gutes Fernglas und ein Bestimmungsbuch, um mehr über das zu erfahren, was ich gerade alles erlebe.
Butch und ich sind kurz vor dem National Park Calilegua und übernachten in einem kleinen Cabana um uns ein wenig von den Strapazen der letzten Tage zu erholen.
Zudem suche ich derzeit sehr den Kontakt zu den Menschen. Stille und Wüste hatte ich in der letzten Zeit genug, ich sehne mich nach Begegnungen und das Schöne ist, ich finde sie auch.
Argentinien ist völlig anders als Chile. Argentinien war von der ersten Minute an einfach klasse zu uns. Die Menschen geben uns jeden Tag aufs Neue das Gefühl herzlich willkommen zu sein.
Drei Wochen etwa sind wir nun bereits im Land und bisher bin ich von dem achtgrößten Land der Welt total begeistert.
Während ich also meine Tasse Tee genieße, meinen Hintern auf dem warmen Stein wärme und zur roten Sandsteinwand blicke, überkommt mich eine absolute Dankbarkeit. Ein Schauer von Freude, von unendlicher Neugierde und ein Dauergrinsen. Eine Erleichterung, ein Glücksgefühl.
Ich kenne aus der Vergangenheit, dass es immer wieder Situationen gab, wo ich dachte: Ach, vielleicht wäre es hier oder dort gerade viel spannender? Im Land X schmeckt das Essen besser und im Land Y ist es derzeit abends länger hell. Gründe gab es immer viele, warum ich wieder einmal angeblich am falschen Ort, im falschen Land oder sogar auf dem falschen Kontinent unterwegs war.
Frei nach dem Motto, ich könnte ja etwas verpassen, weil ich nicht die richtige Wahl getroffen habe. Oder aber weil ich am Ende wahrscheinlich meistens das Gefühl habe etwas verpassen zu können, denn wenn ich ehrlich bin, möchte ich am liebsten immer alles gleichzeitig erleben, obwohl ich in den letzten Jahren schon deutlich ruhier geworden bin.
Derzeit ist es dagegen so, dass ich mir sage: Wow, dieses Argentinien möchte ich mir in Ruhe anschauen. Es gibt hier so irre viel zu sehen. In den 3 Wochen, die wir nun hier unterwegs sind, habe ich vielleicht 1% des Landes gestreift und das war bereits so sehr faszinierend, dass ich mich frage, was ich denn da noch alles sehen und erleben darf?
Während ich die Glücksmomente sortiere, fliegen weitere Papageien über unseren Köpfen umher und die Familie, bei der ich gerade wohne, ruft mich zum Essen.
Ein Gedanke:
Was man bedenken sollte ist. dass der Eindruck von einem Land immer geprägt ist, von dem was man zuvor erlebt und erfahren hat. Wäre ich nicht von Chile aus in Argentinien eingereist, sondern direkt z.B. von den USA oder aus dem Iran, hätte ich vielleicht gedacht: Ja, die Leute sind freundlich, aber jetzt nicht mehr oder anders als anderswo. Aus Chile kommend, dagegen, hat jede freundliche Begegenung, jedes Lächeln und jeder Willkommengruß eine ganz andere Gewichtung.
Es ist daher auch immer schwierig zu beantworten: Wo hat es dir am besten gefallen? Äußere Umstände spielen dabei immer eine große Rolle. In welchem psychischen Zustand befinde ich mich? Wen habe ich getroffen? Wie war das Wetter und das Essen?
Es gibt dann immer wieder Leute, die meinen, weil sie irgendwann einmal ebenso in diesem Land unterwegs waren und tolle Erfahrungen gesammelt haben, dass das eins zu eins übertragbar wäre. Ist es aber ganz und gar nicht. Zudem auch jeder andere Vorlieben hat, sonst würde nicht der eine die Berge lieben und der andere das Meer.
Szenenwechsel. Die Grenze.
Es war irre kalt, als wir auf 4200m und mitten im Winter über die Grenze sind. Der Wind peitschte uns die Kälte heftigst um die Ohren. Selbst Butch war es zu kalt.
Was mir sofort sympathisch war, war die Tatsache, dass die Einreise nach Argentinien in 2 Minuten erledigt war. Das Tuk-Tuk darf sechs Monate im Land bleiben, ich dagegen nur drei, die ich aber wohl recht unkompliziert um weitere drei Monate verlängern kann.
Seit 2019 bin ich nun endlich wieder in einem neuen Land – 102 Länder durfte ich mittlerweile besuchen. Für Butch ist es Land Nummer vier.
3800 Kilometer waren es insgesamt von Santiago de Chile bis hierher zur Grenze.
Das Grenzdorf am Paso Jama war stockdunkel. Es war zugegebenerweise etwas gruselig. Die fehlenden Bürgersteige waren bereits lange hochgeklappt und wäre nicht das penetrante Bellen der Hunde überall zu hören gewesen, hätte ich gedacht, wir sind in einem Geisterort gelandet.
Lehmhäuser, Staub, fehlende Beleuchtung. Außer der hell erleuchteten Tankstelle war alles finster.
Mit Hilfe von einer Frau fand ich eine kleine Hospedaje, eine kleine Unterkunft. Alleine hätte ich nicht im geringsten vermutet, dass es in dem Dorf überhaupt irgendetwas zum übernachten gab.
Die Mutter des Hauses, eine Indio, war so lieb und kochte mir noch mitten in der Nacht etwas zu Essen und ließ mich zudem am Holzofen die Hände wärmen. Ich war wirklich froh um die Wärme, nicht nur vom Ofen, sondern auch von der warmenherzigen Begrüßung in einem neuen Land.
Klar war mir bereits in diesen ersten Minuten: Argentinien ist anders.
Neben unserem Zimmer war der Stall für die Lamas. Butch wurde freundlich von den Hunden des Hauses begrüßt, allerdings waren wir beide viel zu müde um noch irgendetwas anderes im Sinn zu haben, als uns ins Bett zu kuscheln und zu schlafen.
Auch am Tage machte das Dorf einen staubigen und armen Eindruck. Die Leute sehr freundlich und offen. Das Essen in dem kleinen Comedor nebenan, sehr lecker und sehr preiswert.
Argentinien leidet seit einigen Jahren unter einer starken Inflation. Der sogenannte Blue Dollar lässt Reisende deutlich billiger konsumieren, als die Einheimischen selber. Im Vergleich zu dem extrem teuren Chile daher ein sehr preiswertes Land, was mir die Chance gibt sorgenfreier zu reisen. Ich hatte mir in Chile extra noch Dollar in bar besorgt, damit ich diese im Laufe der Zeit auf dem Schwarzmarkt tauschen kann.
Die Weiten des Altiplanos wollte ich nun ersteinmal hinter mir lassen und in wärmere Gegenden vordringen. Mir war es hier oben einfach zu kalt und ungemütlich.
Eine sehr gute asphaltierte Straße brachte uns am Ende des Tages zu einer Familie. Sie hatte ein paar Meter von der Hauptstraße entfernt eine kleine Kneipe und die Dame des Hauses kochte mir für wenig Geld eine leckere Mahlzeit. Wir waren eingeladen neben dem Haus das Zelt aufzustellen und ich freute mich sehr über die Gastfreundschaft und das Vertrauen was ich nun endlich wieder entgegengebracht bekam.
Es macht einfach viel mehr Spaß, wenn Menschen offen und freundlich sind. Ich genoss diesen Wechsel daher sehr.
Ziel war vorerst die von der UNESCO geschützte Gegend Quebrada de Humahuaca. Die Asphaltstraße ging an den Salinas Grandes vorbei, der große Salzsee, der mir bereits von der Straße her viel zu touristisch erschien und ich daher einfach weiter fuhr. Nächstes Highlight war die ewig lange und kurvenreiche Passstraße um in das wunderschöne Tal Quebrada de Humahuaca zu kommen.
Wie immer fuhr ich an steilen Passagen entweder im ersten oder höchstens im zweiten Gang um die Kurven. Das heißt wir fahren zwischen 10 und 15 km/h. Die Bremsleistung des Tuk-Tuks finde ich nämlich nicht besonders überzeugend und gehe daher lieber auf Nummer sicher. Zudem haben wir ja Zeit und die Welt lässt sich viel besser beobachten, wenn man langsam unterwegs ist.
Auch den Touri-Ort Purmamarca ließ ich links liegen und machte mich auf die Suche nach einem schönen Platz in der Natur, ohne darauf zu verzichten vorher noch ein Stück Lamafleisch an einem BBQ Imbiss am Wegesrand zu genießen.
Während ich das Lamafleisch genoss und Butch dabei lieber im Tuk-Tuk ließ, und ihm seinen Teil später gab, kam ein Mann auf mich zu. Er deutete auf Butch und meinte:”Stellen Sie doch ihr Auto in den Schatten, damit der Hund nicht in der Sonne sitzen muß, es ist doch viel zu heiß für ihn.”
Wow, dachte ich. Endlich Menschlichkeit. Da interessiert sich tatsächlich jemand für meinen Hund und macht sich Sorgen um ihn. Als ich ihm sagte, dass es in dem Tuk Tuk nicht heiß wird, da es keine Türen hat, war er nicht sonderlich überzeugt, denn 10 Minuten später kam er wieder und forderte mich nochmals auf doch das Tuk-Tuk im Schatten zu parken.
Am Ende des Tages fand ich eine ganz besonders tolle Zeltstelle inmitten von riesigen Kakteen. Ein Mann wohnte nicht weit von dem kleinen Pfad entfernt, welchen ich von der Hauptstraße aus entdeckte und zeigte mir den Weg in Richtung Schlucht um dort in Ruhe zelten zu können. Seine drei Hunde begrüßten Butch mit offenen Armen und die vier rannten gemeinsam neben dem Tuk-Tuk her, bis ich eine flache Stelle für unser Zelt gefunden hatte.
Das warme Abendlicht ließ die riesigen Felsen faszinierend leuchten, dazu die gigantisch großen Kakteen, machte es ein perfektes Camp für ein paar Tage.
Es war herrlich. Wir wanderten, machten Feuer im Hobokocher, spielten, kochten und bewunderten die Landschaft. Die Natur des Tals ähnelte der von Utah und Arizona. Massive roten Felsen, Schluchten und Kakteen, eben genau wie im Wilden Westen.
Ich fühlte mich hier überall sicher. Obwohl mir klar war, dass der Mann unweit von uns genau wusste wo wir sind, konnte ich trotzdem gut schlafen.
Humahuaca, auf knapp 3000m, machte auf den ersten Blick keinen besonderen Eindruck, auf den zweiten dagegen, verliebte ich mich in dieses kleine Dorf. Die meisten Straßen waren autofrei und somit konnte ich Butch ohne Sorgen durch die Gassen rennen lassen.
Mit den meisten der vielen Straßenhunde verstand er sich super und so war es eine tolle Zeit für uns beide. Denn ich konnte mich dadurch unbeschwert bewegen und aufs fotografieren konzentrieren, die Menschen beobachten und das Treiben genießen.
Ich saß in Cafes und genoss es einfach mal ein wenig in der Zivilisation zu sein und vorallem genoss ich es mal irgendwo zu sitzen und etwas leckeres zu essen, weil gutes Essen preiswert war. Wenn man sonst immer jeden Cent dreimal umdrehen muss und nun, durch die starke Inflation hier in Argentinien auch mal was leckeres bestellen kann, weil es bezahlbar ist, dann macht das einfach richtig Spaß. Und genau den Spaß gönnte ich mir insgesamt eine ganze Woche lang.
Es gab hier ein Cafe, dass leckere selbstgemachte Nudeln mit ausgefallenen Soßen serviert. Zudem gab es zum Nachtisch einen Brownie mit Eis. Leckerer ging es kaum. Selbst der Tee war in dem kleinen Cafe leckerer als anderswo. Butch spielte in der Zeit auf der Straße und begrüßte jeden neuen Gast mit einem ausgiebigen Schwanzwedeln. Frei nach dem Motto: Bitte streichle mich 🙂
Ich traf Amerikaner, Deutsche und Franzosen, nicht viele, aber eben genau die richtige Menge, so dass man sich noch grüßt und miteinander redet.
Wr fühlten uns nach der einen Woche schon ein wenig zu Hause, denn mittlerweile kannten die Leute uns. Die Frau aus Deutschland mit dem goldigen Hund und dem witzigen Tuk-Tuk fiel eben auf.
Iruya war unser nächstes Ziel, Ein Dorf am Ende der Welt. Fast, denn ich war überrascht wieviel Verkehr es dorthin gab. Unendlich viele Serpentinen führen hinauf auf 4000m, um auf der anderen Seite wieder hinab ins Flußtal nach Iruya zu gelangen.
Die Landschaft war wie immer sensationell.
Iruya war nicht ganz so meins. Ein tolles Tal, eine am Hang klebende Kirche und nette Gassen, aber ich hatte mir am Ende wohl mehr versprochen. Doch traf ich nette Leute. Einen Argentinier aus Buenos Aires der einige Zeit in Australien gelebt hatte und somit sehr gutes Englisch sprach.
Zudem ein Schweizer Pärchen, die mit ihrem 4×4 Wohnmobil unterwegs sind und mit denen ich lange redete. Sie schenkten mir netterweise ihre Karten von Argentinien. Ich liebe es einfach eine Papierkarte in der Hand zu halten, wo ich Orte markieren kann, die mir Leute empfehlen.
Leider verstauchte ich mir auf der einen Wanderung um Iruya herum meinen verletzten rechten Fuß erneut, was mich nicht gerade glücklich machte und daher musste ich leider auf die anderen Wanderungen in der Gegend verzichten.
Auf dem Rückweg, denn Iruya liegt an einer Stichstraße, kamen wir kurz vor der Dunkelheit in einem kleinen Dorf unter.
Der erste Eindruck erinnerte mich an meine Kindhei. Meine Tante lebte, getrennt von uns, in der DDR und in den Sommerferien durfte ich sie oft mit dem Zug besuchen. Für mich damals ein großes Abenteuer, denn die DDR war immer sehr spannend gewesen. Eben ein völlig anderes Land, mit oftmals endlosen Widrigkeiten.
Genau wie damals, waren auch hier in diesem kleinen Dorf die Häuser farblos, die Wände grau und lieblos. Die Gassen staubig und voller großer Bäume. Die kleinen Läden wie damals der Konsum bei meiner Tante auf dem Dorf. Damals, vor 40 Jahren.
Eines der Mädchen des Dorfes rannte uns winkend hinterher, als wären wir der Besuch aus dem Westen, der auch in der DDR immer eine Sonderstellung hatte.
Doch hatte es auch hier ein paar dieser schönen Wandbilder, die am Ende das kleine Dorf wieder richtig zum Leuchten bringen.
Das Tuk-Tuk, ist noch exotischer als ein Fahrrad. Immer und immer wieder fragen die Menschen mich wo ich es gekauft habe, wieviel Sprit es braucht, wieviel PS es hat und vieles mehr. Es verbindet und macht uns zu etwas besonderem. Butch liebt das ganz besonders, denn er liebt nichts mehr als Aufmerksamkeit zu bekommen.
Die Unterkunft in dem kleinen Haus kostete $1, das Abendessen ebenso. So billig war es allerdings sonst nirgendswo mehr.
Als wir am nächsten Tag auf die Hauptstraße abbiegen wollten, überholte uns ein Wagen, zwei Männer sprangen aus dem Auto und stellten sich uns in den Weg, damit sie ein Bild von uns machen konnten. Witzigerweise waren sie Deutsche. Fünf Brüder die gemeinsam Urlaub machten.
“Wir haben dich bereits in Iruya gesehen. Wo hast du denn das Tuk-Tuk her? Wir waren völlig überrascht, dass das Teil diese schlechten Straßen fahren kann, zudem noch geht der Weg ja bis auf 4000m hoch. Wir sind begeistert.”
Diesmal wollte ich in Humahuaca nur noch tanken und dann über die Berge nach Santa Ana um von dort in den Chaco zu fahren. Es gab aber keinen Sprit an der Tankstelle. Ganze vier Tage nicht. Somit genoss ich noch einmal die selbstgemachten Nudeln, den leckeren Tee und den Brownie in meinem Lieblingscafe und traf eine Französin die mit einer Suzuki 125 unterwegs war. Sie war sicherlich bereits Ende 60 und hatte ihren Gepäckträger selbst gebastelt. Sie kam gerade aus Bolivien.
Leider stürzte ich in dem kleinen Hostel in dem wir wohnten ganz ungeschickt auf meine Hand und hatte schon die Befürchtung sie sei gebrochen, doch ein Glück beruhigte sich der Schmerz nach einigen Tagen langsam wieder.
Am vierten Tag ohne Sprit fuhr ich die 40 Kilometer bis Tilcara, stellte mich dort etwa 1.5 Stunden an der Tankstelle an und füllte dann sowohl den Tank als auch die Reservekanister voll und drehte wieder um und wir machten uns auf den Weg in die Berge.
Laurent, der Radler aus Frankreich, den ich in Westafrika getroffen habe, schwärmte mir von der Strecke nach Santa Ana vor und somit musste ich diese Strecke auf jeden Fall in Angriff nehmen.
Anfangs etwas langweilig, ging es irgendwann hoch hinaus und die Strecke wurde immer abenteuerlicher. Bis auf 4500m ging es immer wieder hoch und runter durch fantastische Landschaften, aber leider war es auch wirklich nicht ganz ungefährlich für uns gewesen.
Der Wind wehte in heftigen Böen und jedes Mal wenn es auf dem Grat um die Kurve ging hoffte ich dass wir nicht den Abgrund hinunter geweht werden. Vorsichtshalber löste ich die Leine von Butch, denn normalerweise habe ich ihn angeschnallt, damit er nicht ausversehen herausfallen kann, wenn es besonders holprig wird. Einmal ist es bereits passiert, ein Glück war damals kein Verkehr hinter uns gewesen.
Ich wollte sicher gehen, dass wenn wir Richtung Abgrund geblasen werden und ich das Tuk-Tuk nicht mehr stoppen kann, dass wir beide noch rechtzeitig rausspringen können.
Einmal erwischte uns eine Böe und schob uns mit einem Affenzahn die Straße entlang, doch sobald wir um die eine Kurve kamen, waren wir wieder im Windschatten der Berge und alles war gut gegangen.
Auf und nieder immer wieder und ich war nervös. Wir sind langsam, sehr langsam und es wurde bereits dunkel und leider waren wir noch lange nicht in Santa Ana. Zelten an den steilen Hängen wäre unmöglich gewesen, zumal es auch nachts eiskalt geworden wäre.
Solche Kurven in der Nacht zu fahren und das mit dem kleinen Licht des Tuk-Tuks ist nicht ganz so einfach, aber wir kamen irgendwann gegen 21 Uhr an und wurden von einer Gruppe Argentinier herzlich empfangen. Wir hatten somit für 100 Kilometer etwa 11 Stunden gebraucht. Ich sag ja, wir sind langsam.
Die netten Argentinier aus Buenos Aires luden mich zum Essen in einem kleinen Comedor ein und waren froh, dass wir es sicher wieder den Berg herunter geschafft haben. Ich ebenso.
Leider stellte ich fest, dass ich am Berg meinen Wanderrucksack verloren habe. Der Wind hat so in das Tuk-Tuk geblasen, dass sich die Befestigung gelöst haben muss und der Rucksack wohl aus dem Tuk-Tuk geflogen ist.
Leider, denn nicht nur dass der Rucksack richtig teuer ist, ist es leider auch einer der ganz wenigen, der mir wirklich passt ohne Schmerzen zu bereiten. Wir werden also ersteinmal keine längeren Wanderungen machen können, weil mir schlichtweg jetzt der Rucksack dafür fehlt.
In der Unterkunft traf ich auf weitere Touristen aus Buenos Aires, eine nette Gruppe, die am nächsten Tag nach Caspala aufbrachen und meinten ich solle auch dorthin fahren, denn es sei ein ganz toll gelegenes Dorf.
Auch hier war der Weg wieder einmal das Ziel. Die Serpentinenstraße der Wahnsinn. Das Dorf selber feierte ein Fest mit viel Krach und wenig Inhalt, zumindest in meinen Augen. Schlafen konnten wir kaum und das Geballere der Feuerwerkskörper machte Butch leider Angst, so hatten wir am Fest selber wenig Freude.
Wobei das so auch wieder nicht stimmt, denn wir waren eingeladen beim großen Mittagessen des ganzen Dorfes teilzunehmen. Asado aus dem Lehmofen für alle. Selbst die Hunde durften etwas davon fressen und Butch bekam einen extra Teller voller Leckereien von einer Frau gebracht, worüber wir uns natürlich besonders freuten.
Ich durfte zudem an einer Pachamama Zeremonie teilnehmen, die überall im August abgehalten werden. Pachamama ist Mutter Erde und man gibt an sie zurück was man gerne mag. Ein bisschen Alkohol, Zigaretten, Geld und vieles mehr wird in ein Loch geschmissen, um es dann mit Luftschlangen und Konfetti zu dekorieren.. Ein wenig Rauch und TamTam, ein kleiner Tanz um das Loch herum und alle waren glücklich und zufrieden.
Ich fands einfach witzig und interessant.
Auch hier gingen wir wieder wandern, wenn auch noch nicht ganz so lange wie sonst, weil mein Fuß noch immer nicht wieder okay war. Die Hand leider auch nicht.
Zurück in Santa Ana bewunderte ich noch einmal die tollen Wandmalereien und genoss auch die Atmosphäre der indigenen Bevölkerung sehr. Ihre traditionelle Kleidung ist farbenfroh, genau wie ihre Malereien. Die meisten von ihnen möchten nicht fotografiert werden, das respektiere ich.
Was mir in Argentinien von Anfang an auffiel war, dass das Machogetue nicht vorhanden ist, zumindest bisher in Jujuy nicht, der Bundesstaat, in dem ich mich gerade aufhalte, Ich habe nicht den Eindruck, als seien die Frauen nur fürs Kinder kriegen und kochen zuständig und der Rest macht der Mann.
Mir gegenüber sind Männer respektvoll. Auch gibt es hier nicht diese seltsame Eifersuchtsdramen wie etwa in Mexiko, wo Frauen pausenlos Angst hatten, dass ich ihnen die Männer ausspanne. Beide Geschlechter verhalten sich mir gegenüber freundlich und selbstbewusst. Unkompliziert und angenehm.
Die Bildung macht einen sehr guten Eindruck. Selbst in den Bergen und in den abgelegenen Dörfern, auch bei der indigenen Bevölkerung, habe ich nicht das Gefühl die Menschen sind Hinterwäldler.
Ich sehe keine Agressivität, obwohl ich bei der indigenen Bevölkerung einen exessiven Alkoholkonsum wahrnehme. Trotzdem empfinde ich ein angenehmes Miteinander,
Argentinien ist somit ein echter Volltreffer für uns!
Von 3300m ging es nun in weiteren endlosen Serpentinen den Berg wieder runter. Wie immer tolle Landschaften, die unseren Weg begleiteten. Ein paar wenige Dörfer auf dem Weg, bestellte ich in einem Comedor ein Mittagessen. Eine temperamentvolle und lustige Frau servierte mir eine leckere Mahlzeit. Wie immer durfte Butch bei mir sein, Seit wir in Argentinien sind habe ich ihn nie an der Leine und niemand hat bisher irgendetwas negatives dazu gesagt.
Manchmal kommen wir zur Türe herein und bereits fünf weitere Hunde liegen unter den Tischen und warten darauf, dass etwas vom Teller zu ihnen herunter fällt. Oftmals gibt es ein freudiges Hallo, manchmal wird Butch aber auch angefeindet, oder von einer Katze angegiftet.
Für uns ist eben jeden Tag alles neu und ich finde Butch passt sich immer wieder toll an die neue Umgebung an. Argentinier sind auf jeden Fall tierfreundlich und machen uns das Leben sehr leicht, auch was Übernachtungen angeht.
Am Ende des Tages kamen wir nach San Francisco, wo vier Reisende aus Buenos Aires uns mit im selben Cabana schliefen liessen und ich am nächsten Tag zum Essen eingeladen war und auf dem warmen Stein meinen Hintern wärmte und die Tukane bewunderte. Davon habe ich euch ja Eingangs schon erzählt.
Eine Freundin des Hauses reparierte mir zudem mein Zelt, worüber ich mehr als glücklich war.
Das letzte Stück dieser genialen Straße, die uns so viele unterschiedliche Landschaftseindrücke schenkte, ging durch den National Park Calilegua. Natürlich sind Durchfahrtsstraßen durch National Parks oftmals wenig reizvoll, da man keine Tiere zu Gesicht bekommt, aber die Pflanzenwelt und der tolle Nebel, den wir glücklicherweise an dem Tag hatten, verwandelte den Park in ein besonders mystisches Bild.
Nach den vielen Wüstengegenden freute ich mich riesig über das viele grün, die Vögel, die Blumen und die Feuchtigkeit. Eine Abwechslung tat sehr gut.
Leider sind Hunde im National Park weder auf den Wanderwegen noch auf dem Campingplatz erlaubt und so zelteten wir außerhalb, neben dem Informationszentrum, direkt an der Hauptstraße. Ich wurde also sofort wieder daran erinnert, warum ich Verkehr und Städte nicht leiden kann.
Keine 5 Minuten hier, wäre ich am liebsten wieder umgedreht, um den vielen Menschen und dem wahnsinns Lärm aus dem Weg zu gehen.
Doch genoss ich es zumindest für eine kurze Zeit wieder einmal ein T-Shirt zu tragen und nicht in einer Daunenjacke eingemummelt zu frieren. Über die Moskitos allerdings, die da am Zelteingang hungrig auf uns warteten, war ich wenig begeistert.
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Butch und ich leben von diesem Blog.
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Riesen lieben DANK
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Eindrucksvolle Seite!
Danke lieber Felix 😉
Liebe Heike, dieses Mal strahlt der Blogg wieder voller Freude und Abenteuerlust! Endlich kommt die Heike wieder in viele glückliche Momente! Wieder ganz toll erzählt, ich fühle mich „ dabei gewesen“ und diese Bilder…. Ganz arg schön. Was mir so besonders gut dieses Mal gefällt, und sag mir, ob es ein besonderes Licht ist in Argentinien, die Farben sind so warm, fast milchig, dezent. Nicht grell, hart wie manchmal in México oder Chile… so natürlich. Und eine Frage zum Baum oder Strauch kurz vor der das Zelt flickenden Frau: Ist das eine Art von Baumwolle? Sieht so schön aus🙏 Weiter so viel schöne Eindrücke, an denen du uns teilhaben lässt bitte💝
Hallo Heike
Wir haben schon lange nichts von dir gehört, umso erfreulichet war dein heutiger Bericht über ein Land, das wir vor vielen Jahren auf ganz andete Weise erlebt haben.
Ich freue mich, dass du so einen treuen Begleiter an deiner Seite hast und sogar so ein geniales Fahrzeug.
Hab weiter noch viel Freude in dem schönen Land, hab Dank für die schönen Bildèr und die lebhafte Erzählung und sei ganz herzlich gegrüßt von GiNo
Hallo liebe Thünkers!
Ich hoffe es geht allen gut.
LG und herzlichen Dank in die Schillerstrasse….
Heike und Butch
wow! ein absolut genialer Artikel. Ich war zwar schon in Südamerika, aber Argentinien und Chile fehlen mir noch. Deine Bilder sind auch super schön, liebe diesen Bearbeitungsstil. 102 Länder sind ja auch eine Hausnummer. Darf ich fragen, seid wie vielen Jahren du schon „an der Zahl arbeitest“;)?
Freut mich lieber Jess!
Ich bin 51 – ergo seit 51 Jahren 🤪
LG Heike und Butch
Weltbeste Schwägerin!!!
Herzlichen Dank für dein dickes Lob!! Freut mich sehr!
Einziger Unterschied den ich mir gerade denken kann ist, dass ich die Bilder von RAW und nicht jpg bearbeitet habe.
Mir selber leuchten sie diesmal etwas zu wenig, Das Problem liegt allerdings am Monitor. Dein Monitor hat andere Farben, Sättigung, Kontraste wie meiner. Hat man keinen kalibrierten Monitor kann man Bilder so nur schlecht 100% korrekt bearbeiten.
Ich passe Helligkeiten an, manchmal auch die Farben wenn der Weißabgleich verhauen war. Kontraste kommen bei jpg stärker zum Ausdruck …. Wahrscheinlich ist es das.
Laut meinen Recherchen ist es ein Ceiba chodatii. Schau hier bei Wikipedia https://de.m.wikipedia.org/wiki/Ceiba
Drück dich ….
Liebe Heike,
wieder mal grandiose Bilder und Eindrücke! Danke, dass Du mein Bild von Argentienien korrigiert hast. Ich glaube, ich muss dem Land doch noch eine zweite Chance geben.
Wie geht es Deinem Fuß und der Hand? Ich hoffe, inzwischen besser?!
Seid beide ganz liebe gedrückt!
Alex
Liebe Alex, ich dachte dir hatte Chile nicht gefallen, wusste nicht dass auch Argentinien bei dir ein Flop war.
Ich finde es hier super!
Die Hand wird langsam besser, der Fuß ist einfach nicht mehr der der er mal war….
LG und Danke ….
Nee, da haben wir uns falsch verstanden! Chile fand ich landschaftlich wahnsinnig schön und würde deswegen nochmal hinfahren.
Von Argentinien hab ich nur Pampa gesehen (Fahrt von den Anden nach B.A.), was ich nicht spannend fand. Buenos Aires hingegen hat mir sehr gut gefallen. Die Gletscher stehen noch auf unserer Wunschliste, von daher gibt es noch viele schöne Ecken in Argentinien, die es noch zu entdecken gibt.
Hi Alex,
ja Chile ist wunderschön…wären da nicht die wortkargen Chilenen und Pampa stelle ich mir auch sehr langweilig vor.
LG von uns
Chile / Argentinien – mal wieder was Neues für mich. Wie schon mal gesagt: First hand information.
Keep it up. And again great fotos and travel impressions.
Danke lieber Jürgen !!!!
Hoffe es geht dir gut !
Beste Grüße von uns ….
Wow. Wow. Wow.
Heike, wie oft habe diese 3 Buchstaben schon im Zusammenhang mit deinen Reisen, deinen Berichten, deinen Fotos benutzt? Du begeisterst mich immer wieder! Danke!
Zu deinem Gedanken mit dem Kontext, in dem wir ein Land (oder anderes) bewerten: Das ist der Grund, warum ich der Meinung bin, dass auch schwierige Zeiten letztlich gut sind. Der Kontrast verstärkt die schönen Erlebnisse.
Viele Spaß noch in Argentinien
Stefan
Danke lieber Stefan!
Absolut richtig! Das habe ich auch immer beim Radfahren gesagt, die quälenden Strecken machen die schönen erst so richtig gut.
Immer nur Sonnenschein ist auf Dauer mega langweilig.
Beste Grüße nach Thailand ….
Lieb Heike,
einfach nur super. Ich freu mich für dich!!!
LG, Wi grenzenlos
Danke lieber Wilfried !
Euch eine tolle Zeit – wo immer ihr auch rumstreuntest 😜
LG von Heike und Butch
Liebe Heike,
jeden Satz gelesen, jedes Foto genossen. Alles alles Gute für Hand und Fuß und fürs Reisen überhaupt. Freue mich auf weitere Artikel.
Lieber Michael, super das freut mich!
Lieben Dank für deine Wünsche.
LG von uns aus Argentinien