Nr.27 – China – Visa Drama

Okt 12, 2014 | Asien, Blog, China

Nach 17 langen Stunden im Bus kam ich mitten in der Nacht in Xining an. Umgeben von
riesigen Hochhäusern suchte ich nach einer Unterkunft. Ein Glück wuβten sie in einem Hotel wieder einmal die Vorschriften nicht und somit konnte ich dort zumindest eine Nacht übernachten, denn am nächsten Morgen gaben sie mir zu verstehen, dass ich hier nicht weiter bleiben durfte.

Doch es gab in der Stadt eine Jugendherberge und somit hatte ich für die nächsten Tage ein Bett im 10’er Zimmer. Ein Zimmer mit Chinesinnen zu teilen, ist allerdings wirklich kein Spaβ. Es sind einfach rücksichtslose Menschen, denen es egal ist, ob da jemand im Zimmer schlafen möchte oder nicht. Selbst mitten in der Nacht, wird sich lautstark unterhalten, bimmelt irgendein Telefon oder irgendein elektronisches Gerät flimmert super hell vor sich hin.

Auch Türen werden zugeknallt, als wäre es mitten am Tag. Irgendwie ist jedem alles egal. Chinesen sind einfach laut und sind es wahrscheinlich ihr Leben lang schon gewohnt, dass Niemand auf Niemanden Rücksicht nimmt und von daher ist es für sie einfach völlig normal, dass jeder macht was er will.

Montag 9 Uhr stand ich pünktlich beim PSB (Public Security Büro). Den gestrigen Tag hatte ich noch genutzt um meine Klamotten zu waschen, zu duschen und mich wieder in einen
Menschen zu verwandeln um nun auf der Behörde einen zivilisierten Eindruck zu machen.
Zudem legte ich mein Sonntagsgesicht auf und versuchte mein Bestes, denn wie jeder weiβ, der erste Eindruck zählt. 

„Ni hao, Entschuldigung, sprechen Sie Englisch“ fragte ich die Polizistin. In gutem Englisch
grummelte die Dame zurück: „Ich dachte Sie sprechen Chinesisch“! Innerlich dachte ich schon, oh nein, das wird was werden, die Frau hat Haare auf den Zähnen.

Ich trug mein Anliegen vor und muβte nicht lange auf eine Antwort warten, denn nachdem die streng nach Vorschrift agierende Kommunistin meinen Pass durchforscht hatte, machte sie mir in einer völlig unmiβverständlichen Art und Weise klar, dass ich das Land sofort verlassen muβ, denn sie wird mir ganz sicher keine weitere Visa Verlängerung geben.

Ich versuchte ihr noch zu erklären, dass ich von anderen PSB Stellen gehört habe, dass sich die Gesetzeslage geändert hat und man nun wieder eine zweite Verlängerung bekommen kann, doch da fiel mir die Dame sofort ins Wort und erklärte mir den Gesetzesentwurf vom letzten September. Auch auf meine weitere Bitte und dem Versuch ihr meine Situation zu erklären, hatte sie nur ein müdes Lächeln übrig und servierte mich ab als wäre ich irgendein Depp von der Straβe. Ihr machte es sichtlich Spaβ ihre Macht auszukosten und mich einfach abblitzen zu lassen. Willkommen in China.

Ich war geladen wie eine Kanonenkugel, doch es half alles nichts, ein Plan muβte her.
Doch so schnell gab ich mich nicht geschlagen. Der Rezeptionist der Jugendherberge
sprach ein paar Brocken Englisch und ich erklärte ihm meine Situation mit der Bitte
doch alle umliegenden PSB Stellen anzurufen und abzufragen, ob es vielleicht dort eine
Möglichkeit gibt das Visa nochmals zu verlängern. Leider hieβ es auch dort,
keine weitere Verlängerung möglich.

Es blieb nur die Ausreise nach Hong Kong, in der Hoffnung dort ein neues Visum zu bekommen, schlieβlich stand mein Rad in Yushu und ich wollte unbedingt wieder dorthin zurück um es zumindest wieder abholen zu können.

Alle Bahntickets nach Hong Kong waren ausgebucht, zumal die Bahnfahrt 38 Stunden
gedauert hätte. Es blieb nur der Flug, denn ich hatte kaum noch Zeit, ich muβte das Land verlassen.

Hong Kong verpasste mir ersteinmal einen Kulturschock. Abgesehen von der wahnsinnigen Schwüle, kam ich mit der plötzlichen reichen Welt gar nicht klar. Seit Dubai, irgendwann im Februar diesen Jahres, hatte ich nicht mehr so eine moderne Welt gesehen.

Ich war in den abgelegensten Gebieten unterwegs gewesen und hier traf sich plötzlich
die Business Branche. Wow. 

Doch Hong Kong hat seinen Scharm, denn nicht nur die Lage der Stadt ist faszinierend
auch das Multi Kulti und die verbliebenen Reste der alten Chinesischen Kultur sind noch an jeder Straβenecke zu erkennen. In den schmalen Gassen geht Abends der Punk ab. Party bis spät in die Nacht.

Ich kam bei Mark (Amerikaner) und King (Malaie) unter. Ein Schwulen Paar. Zwei
warmshowers Gastgeber, die wirklich super nett waren. Sie hatten ein leer stehendes
Appartment zur Verfügung, in dem ich mich wunderbar breit machen konnte. Perfekt,
inmitten von Hong Kong Central hatte ich somit mein eigenes Zimmer. Die Appartments
sind super klein und kosten ein irre Geld.

Ich allerdings würde durchdrehen in so einer Stadt. Dieses Gewusel von Leuten an jeder Ecke wäre mir einfach zu stressig.

Doch zu meiner Freude, sah ich jede Menge westliche, groβ gewachsene, blonde Männer.
Wow, ein Augenschmaus nach der langen Zeit mit kleinwüchsigen Schlitzaugen.

Mark zeigte mir auf der Karte alle Anlaufstellen für all meine Besorgungen,
die ich zu erledigen hatte und schickte mich zur Chinese Travel Agency um
nach einem neuen Visum zu fragen. Er sagte mir aber auch, dass er bereits Radler
zu Gast hatte, die kein weiteres Visum bekamen, da sie ihre erste Verlängerung in
der Provinz Xinjiang erhielten, genau wie ich.

Die Chinese Travel Agency im Stadtteil Central sagte mir gleich, keine Chance
ich werde kein Visum bekommen, wenn dann solle ich direkt zur Botschaft gehen
und dort meine Gründe vortragen, warum ich nochmals ein Visum möchte.

Die Chinese Travel Agency im Stadtteil Kowloon gab mir die gleiche Auskunft.
Doch direkt zur Botschaft gehen war sicherlich keine gute Idee, denn mit Sicherheit
werden sie irgendwelche seltsamen Fragen stellen auf die man nur falsch antworten kann.

Es gab noch weitere Visa-Agenturen, die allerdings einen etwas suspekten Eindruck
vermittelten. Doch auch hier meinte man, mein Anliegen sei aussichtslos.
Irgendwann landete ich im berühmten Chungking Mansion, ein Hochhaus
mit Billigunterkünften, in dem es einen Herrn Fred gab.
Auf dem Weg zum Fahrstuhl flüsterten mir irgendwelche seltsamen Typen
ins Ohr „Haschisch, Marihuana?“

Fred sagte mir für 100 US Dollar besorgt er mir das Visum. Normalerweise kostet es 50 Dollar aber unter meinen Umständen, kostet es eben das Doppelte. Ich war miβtrauisch, denn warum sollte dieser Mensch es möglich machen, was andere nicht können? Zudem wollte ich nicht das Doppelte bezahlen. 

Obwohl ich den Eindruck hatte, der Mann wuβte von was er redet. Es gab noch eine weitere Alternative, die ich im Laufe des Tages heraus bekam. Für fast 200 US Dollar bekommt man sein Visum bei der Einreise von Hong Kong nach Shenzhen, dem Grenzort nach China. So etwas hatte ich allerdings noch nie zuvor gehört. 200 Dollar einer Agentur geben, Hong Kong verlassen und dann an der Grenze ein Visum bekommen? Nein, die Alternative schmeckte mir nicht. 

Ich ging zurück zu Fred, der meinte ich solle morgen wieder kommen, dann kann er mir sagen, ob es klappen wird.

Mark schüttelte nur den Kopf, als ich ihm sagte, dass ich einem Typen im Chungking Mansion meinen Pass gegeben habe, zudem noch 50 US Dollar als Pfand. „Chungking Mansion ist die übelste Adresse der Stadt, hoffentlich siehst Du Deinen Pass jemals wieder“. Ich schluckte erstmal, sagte aber dann, „es ist meine einzigste Chance.“

Herr Fred sagte mir am nächsten Tag, ich könne meinen Rückflug buchen, den Pass mit Visum könnte ich in 5 Tagen abholen. Mark und King dagegen warnten mich, denn die anderen Radler hatten bereits ihre Flüge gebucht gehabt und bekamen das Visum aber am Ende nicht. Ich buchte trotzdem, denn ich hatte Vertrauen zu Fred, meine innere Stimme sagte mir, das klappt.


Eines Nachts wachte ich auf, weil mir irgendetwas über die Arme gerannt war.
Von der Gröβe her tippte ich auf eine Maus, aber dazu war das Viech zu leicht gewesen,
aber was soll es sonst gewesen sein? Ich machte das Licht an und entdeckte eine
Monster Kakerlake. Doch sie war cleverer als ich, denn sie war so schnell wieder weg,
wie sie gekommen war. Sie kam jede Nacht zu Besuch, einmal krabbelte sie mir
sogar übers Gesicht, doch ich schaffte es einfach nicht das Viech einzufangen.

Mark nahm mich mit auf zwei Wanderungen auβerhalb der Stadt. Zuerst nachts
zu einem wunderschönen Aussichtspunkt auf die skyline und ein paar Tage später
mit 40, wohlgemerkt  40, weiteren Schwulen entlang eines Wanderweges irgendwo
auf der Insel.

Es war schon lustig als einzigste Frau inmitten schwuler Männer zu sein, doch ich muβ immer wieder feststellen, Schwule sind einfach super höfliche Männer und ich hatte nicht den Eindruck, dass irgendeiner von ihnen dachte es sei seltsam, dass ich mit dabei war. Auch war es interessant zu sehen wie unterschiedlich sie alle waren. Die Sorte Schwule, bei denen man es nicht denken würde, dass sie schwul sind und die andere Gattung, bei denen man bereits von Weitem sieht, dass sie sich auffällig schwul benehmen.

  

  

Abends kam ich noch in den Genuβ eines Dim Sum Menüs, da Mark mich einlud
eine typische Hong Kong Delikatesse zu essen. Das war richtig lecker.

Eine neue Kamera muβte ich noch kaufen, denn meine Alte war kaputt und es gibt keinen besseren Ort als Hong Kong, denn hier gibt es alles steuerfrei. Doch das war ein langes Drama, mit lauter dubiosen Geschäften, bei denen ich nicht wuβte, gibt es hier Original Ware oder ist das alles nur kopiertes Billigzeug . Die Preise variierten beträchtlich von Geschäft zu Geschäft und manch einem Ladenbesitzer stand „Gauner“ schon auf der Stirn geschrieben.

Im besten Radladen der Stadt bekam ich noch einen Ersatzmantel und eine neue Halterung für meine Ortliebtasche.

Dienstag Mittag ging ich mit nervösen Gefühlen nun wieder zu Fred. Doch mir fiel ein Stein vom Herzen, denn er hatte tatsächlich ein Visum für mich. Abends verkaufte ich noch schnell einem weiteren Gauner meine alte Kamera und erstand in einem seriösen Kameraladen eine neue Kamera.

Mark und King konnten es nicht fassen, dass ich es tatsächlich geschafft habe ein neues Visa zu bekommen und notierten sich gleich Fred’s Adresse für zukünftige warmshowers Gäste, die mit dem gleichen Problem nach Hong Kong kommen.

Abflug am nächsten Tag sollte um 18.20 Uhr sein, allerdings war der Flieger angeblich
kaputt und einen neuen Abflugzeitpunkt gab es noch nicht. Eine Ansage durch das Bodenpersonal folgte und plötzlich flippten die Leute total aus.

Es wurde rumgeschrien, ja fast handgreiflich wurden die Leute und umzingelten
dabei das Bodenpersonal. 

Ich staunte Bauklötze, denn so etwas hatte ich noch nie zuvor erlebt. Die Situation eskalierte so sehr, dass die Polizei mit 4 Mann anrückte um den Streit zu schlichten. Ein Student erklärte mir, dass bei zwei weiteren Airlines der Flug nach Xining ebenfalls heute Abend wegen technischen Defekts gestrichen wurde und dass das eine Masche der Airlines sei, da die Maschine wahrscheinlich nicht ausgebucht war.

Am Ende hatten die Leute mit ihrem Druck Erfolg. Der Flieger startete mit 3 Stunden Verspätung für die ich eine Erstattung von 25 US Dollar bekam.

Von Xining aus ging es dann wieder den langen Weg zurück nach Yushu.
Im Schlafwagenbus die Nacht durch. 21 Stunden dauerte diesmal die Fahrt, denn gleich zu Beginn wurde ersteinmal eine Panne behoben.

Die Betten waren für Lilliputaner kreiert worden und somit war für mich an Schlaf
gar nicht zu denken, zumal der Typ rechts von mir so brutal schnarchte, dass selbst die anderen Leute sich lustig darüber machten. Der Typ links von mir rotzte dauernd in eine Plastiktüte und der Typ über mir spuckte pausenlos in eine Schüssel.

Zu meinem Entsetzen trat ich mitten in der stockdunklen Nacht nur mit Socken bekleidet,
tatsächlich in diese besagte vollgespuckte Schüssel, die der Kerl mitten im Gang
platziert hatte. Ahhhhh.

Zwischendurch gingen die Busfahrer 3 Stunden schlafen und ich drehte Däumchen.
Ich spürte die Höhe wieder ein wenig, denn wir waren bereits wieder auf 4300m angelangt.

Doch irgendwann gegen Mittag kamen wir endlich an. Ich betrat das noble Hotel
und das Personal kam mir freudestrahlend entgegen. Das Rad war noch da. Puuuh.

Ich hatte dem Personal vor 14 Tagen gesagt, ich bin so schnell es geht wieder da,
spätestens in einer Woche. Vor lauter Hektik hatte ich vergessen mir den Namen
des Hotels oder die Telefonnummer zu notieren. Ich konnte ihnen somit nicht Bescheid
geben und hätte ich das Visum nicht bekommen, wäre da ein weiteres Problem
auf mich zu gekommen. Za, Anfängerfehler.

Am nächsten Morgen ging es von Yushu nun endlich weiter. Dazu mehr beim nächsten Mal.

 

 

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